20. Januar 2008, Valencia

Auf den Spuren des Handels mit Schnee und Eis

In der spanischen Region Valencia ist die Erinnerung an Zeiten, in denen man Lebensmittel mit natürlichem Schnee und Eis konservierte und damit Handel trieb, noch wach. Bis zum heutigen Tage stehen über die gesamte Region Eisspeicher verteilt , die so genannten neveras, cavas de hielo oder im Valencianischen cava beziehungsweise pou de neu.

Man vergisst leicht, dass auch im Land Valencia nur wenige Kilometer entfernt von der wintermilden Küste bis zu 1.800 Meter hohe Berge liegen, in denen es regelmäßig schneit. In diesen Höhenlagen stehen die Eisspeicher, welche bereits von den Mauren genutzt wurden, um dort mit Schnee beziehungsweise Eis frisches Fleisch und Fisch zu konservieren und Getränke zu kühlen. Zunächst kamen nur Könige und der Adel in diesen Genuss, doch ab Mitte des 16. Jahrhunderts verbreitete sich der Gebrauch und weitere Eisspeicher wurden errichtet. In Spanien hielt sich die Tradition des Eishandels in manchen Gegenden sogar bis in die 50er Jahre, setzte hier der Industrialisierungsprozess doch später ein als in Mitteleuropa.

Bei den Schneespeichern handelt es sich um runde oder quadratische Türme aus Stein, deren Größe beträchtlich variiert. Ihr Durchmesser reicht von zwei bis achtzehn Meter, ihre Höhe von drei bis dreißig Meter. In Hanglage gebaut befindet sich der größere Teil der Speicher oft unter der Erde, so dass schon der kalte Boden für eine natürliche Kühlung sorgt. Waren die unteren Meter des Turms bereits mit Schnee gefüllt, wurde der Schnee durch Türen in den oberen Etagen abgeladen. Der Schnee wurde gestampft und zu Eis gespresst, die einzelnen Schichten mit Lagen aus Stroh oder Zuckerrohr getrennt. Über Kanäle, häufig aus Holz, konnte das Schmelzwasser nach außen abfließen. Diese Methode funktionierte jahrhundertelang, schließlich begannen erst Ende des 19. Jahrhunderts Kühlschränke und Industrieeis das Geschäft mit dem Schnee zu verdrängen.

Für den Transport wurden Blöcke aus dem Eis gehauen, in Kisten gelegt und mit Zweigen oder Tüchern abgedeckt. Träger und Lasttiere beförderten das kostbare Gut in großen Körben in den kühleren Nachtstunden in die Täler und Küstenstädte, wo Eis oft Mangelware war.

Wohnen im Schneespeicher
Einer der vielen Eisspeicher im Lande Valencia befindet sich in der Provinz Alicante. In der Nähe von Jijona findet man auf mehr als Tausend Meter Höhe einen völlig intakten Schneespeicher, den Pou del Surdo. Ihn bzw. das nebenstehende Arbeiterhaus Pou de la Neu hat man 2003 in ein originelles Landhotel umgebaut. Von der privilegierten Lage des Pou de la Neu aus genießt man einen unübertroffenen Panoramablick über die umliegenden bis zu 1.600 Meter hohen Berge wie den Puig Campana, den Cabeçó d’Or und den Gipfel der Sierra Aitana. Aber auch die Strände von Alicante und das Kap von Santa Pola hat man von den Zimmern aus im Blick.

Der Star unter den Eispeichern
Fünfzig Kilometer weiter in Richtung Nordwesten befindet sich mitten im Naturpark Sierra Mariola der bekannteste Schneespeicher aus dem 17. Jahrhundert – der Cava Arquejada. Unverwechselbar mit seinem an eine gotische Kirchenkuppel erinnernden Dachgerüst aus Steinträgern steht er in der Nähe des Dorfes Agres in 1.200 Metern Höhe. Die Wege dorthin führen durch Steineichen- und Aleppokiefernwälder und eine besonders vielfältige Kräuter- und Heilpflanzenwelt, denn die Sierra Mariola ist für ihre 1.500 mitunter endemischen Pflanzenarten, die die traditionelle Medizin, aber auch die Küche in den Bergen geprägt haben, überregional bekannt.

Ein Schneespeicher als Museum
In der Provinz Valencia gibt es ebenfalls Eisspeicher zu entdecken. In Bocairent führt einer davon die Besucher ausnahmsweise mitten hinein ins schmucke Städtchen. Seine zweite Besonderheit beruht darin, dass er begehbar und zu einem kleinen Museum hergerichtet ist. Eine weitere Sehenswürdigkeit in Bocairent sind die in den Berg gegenüber der Altstadt gehauenen labyrinthartigen Zimmer- und Gangsysteme. Diese sogenannten covetes dels moros (Maurenhöhlen) enstanden durch die vor den Christen fliehenden Mauren.

Beten in einem Eisspeicher
Nördlich der Stadt findet man im Dorf Alpuente einen weiteren Eisspeicher. Der Ort lohnt einen Besuch sowohl landschaftlicher als auch historischer Hinsicht, auch wenn dem malerischen Dorf mit heute nur knapp Tausend Einwohnern seine einstige Größe und Bedeutung auf den ersten Blick nicht anzusehen ist. Nachdem das letzte maurische Kalifat mit Sitz in Córdoba zerfallen war, bildeten die untereinander rivalisierenden Araber im 11. Jahrhundert auf spanischem Boden Kleinstkönigreiche, Taifa genannt. Alpuente wurde Hauptstadt eines der zwanzig Taifa-Königreiche in Spanien.

Die Besonderheit des hiesigen Schneespeichers beruht darauf, dass er in gewisser Weise die Geschichte von den wechselnden Herrschern in der Region erzählt. Häufig liegt hier unter einem Bauwerk ein anderes verborgen, so auch in diesem Fall: Auf den Grundmauern des Eisspeichers errichteten Mauren eine Moschee, die aber, sobald das Land von den Christen erobert war, einer Kirche weichen musste. Urlauber zieht es wegen dieser kleinen Entdeckungen, aber auch wegen der Natur nach Alpuente. Denn der reizende Ort liegt inmitten einer abwechselungsreichen Landschaft aus Tälern, Schluchten und Bergen (Serranía). Für Wanderer gut zu wissen: Durch den 15 Kilometer entfernten Ort Chelva führt der Fernwanderweg GR 7, entlang dessen man die gesamte Region Valencia der Länge nach durchqueren kann.

Schnee, Kork und Olivenöl
Nördlich von Valencia liegt die unter Bergsportlern bestens bekannte Provinz Castellón, nach Asturien die bergigste ganz Spaniens. Hier steht ein weiteres Exemplar, im Naturpark Sierra Espadán mit den über Tausend Meter hohen Gipfeln Pico de la Rapita und Pico Espadán. Die Sierra Espadán gilt als einer der weltbesten Standorte für Korkeichen. Aber auch das Olivenöl der Sierra Espadán genießt einen hervorragenden Ruf und macht eine Fahrt in diese Gegend lohnenswert. Attraktiv für Naturliebhaber sind überdies die zahlreichen Höhlen dieser Gegend, insbesondere die 20 Meter tiefe Cueva del Estuco in der Nähe des Pico Espadán mit beeindruckenden Stalagmiten und Stalaktiten.



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