20. Jubiläum der friedlichen Revolution in Polen
2009 ist für Polen ein ganz besonderes Jahr. Am 1. September vor 70 Jahren begann mit dem Überfall auf die Danziger Westerplatte der Zweite Weltkrieg. Am 4. Juni vor 20 Jahren beendeten die ersten freien und demokratischen Wahlen die Ära der Volksrepublik. Schließlich jährt sich am 1. Mai zum fünften Mal der EU-Beitritt Polens, eine mittelbare Folge der Ereignisse von 1989.
2009 steht ganz im Zeichen der beiden polnischen Schicksalsdaten: Ist 1939 mit der europäischen Katastrophe und millionenfachem Tod verbunden, so steht das Jahr 1989 für einen positiven Wandel Europas. Am 6. Februar 1989 konstituierte sich der Runde Tisch als Gesprächs- und Verhandlungsrunde zwischen der Regierung der Volksrepublik Polen und den Reformkräften um die Gewerkschaft Solidarność sowie Kirchenvertretern. Er wurde zum Symbol für den Systemwandel in den gesamten Staaten des Warschauer Paktes.
Die offiziellen Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der ersten freien Wahlen finden zeitgleich am 4. Juni in Gdańsk (Danzig), Warszawa (Warschau) und Wrocław (Breslau) statt. Gdańsk kommt dabei eine zentrale Rolle zu, da sich dort die demokratische Opposition am frühesten und stärksten manifestiert hatte. Zum Symbol dafür wurde das Tor der Danziger Werft (einst Leninwerft), das erst kürzlich in die Liste des europäischen Kulturerbes aufgenommen wurde. Die 20 Forderungen der streikenden Arbeiter, niedergeschrieben auf einer Holztafel und anzuschauen in der Ausstellung „Wege zur Freiheit“, sind bereits seit einigen Jahren Weltdokumentenerbe der UNESCO. Die Ausstellung vermittelt einen sehr guten Einblick in die Aktivitäten der Solidarność, die letztendlich zum Runden Tisch führten.
Die polnische Regierung lädt die Staatsoberhäupter verschiedener Länder am 3. und 4. Juni zur gemeinsamen Feier der Ereignisse von 1989 nach Gdańsk ein. Zudem soll an diesen beiden Tagen unter Beteiligung von oppositionellen Reformpolitikern aus den ehemaligen Ostblockstaaten eine internationale Fachkonferenz zum Thema „Solidarność und der Untergang des Kommunismus“ stattfinden. Zeitgleich wird eine historische Ausstellung zum Thema „Koniec Komunizmu – Das Ende des Kommunismus“ eröffnet. Ob am 4. Juni ein Mega-Konzert eines internationalen Künstlers auf dem ehemaligen Danziger Werftgelände stattfindet, darüber wird momentan noch verhandelt.
Die Stiftung für Demokratieentwicklung (FRDL) lädt in den kommenden Monaten in ganz Polen zu öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zur lokalen Demokratieentwicklung ein. Höhepunkt dieser Veranstaltungsreihe wird ein gemeinsam mit dem polnischen Parlament (Sejm), und dem Museum für polnische Geschichte am 6. Juni in Warschau organisiertes „historisches Picknick“ sein. Zu dieser Open-Air-Veranstaltung sind Gäste aus dem In- und Ausland eingeladen, die sich für den demokratischen Wandel in Polen und Ostmitteleuropa interessieren. Neben thematischen Spielen und Infoständen ist auch ein Konzert unter freiem Himmel geplant.
Zu den traditionellen Veranstaltungen gehört der Solidarność-Marathon. Er findet seit 15 Jahren jeweils am 15. August statt. Erinnert wird damit an die Opfer der gewaltsam unterdrückten Proteste von Werftarbeitern im August 1970. Er beginnt beim Denkmal an die Opfer des Aufstands in Gdynia und führt zum Denkmal für die gefallenen Arbeiter in Gdańsk. Eine weitere Veranstaltung, die 2009 bereits zum dritten Mal stattfinden wird, steht im Zeichen des Umbruchs von ’89. Das vom Danziger Solidarność-Zentrum organisierte Festival „All about Freedom“ vereint an sieben Tagen im Herbst Filme, Musik und Kunst zum Thema Freiheit aus Polen und dem Ausland.
Neben den offiziellen Feierlichkeiten und Veranstaltungen, die vom Ministerium für Kultur und Nationales Erbe sowie dem Sejm organisiert werden, existieren eine Vielzahl von Initiativen. Die größte heißt „razem 89“ (Gemeinsam 89), der sich mittlerweile zahlreiche namhafte Institutionen und Organisationen angeschlossen haben. Sie versteht sich einerseits als Plattform für Organisatoren, die ihre Konzerte, Ausstellungen oder Symposien koordinieren und dafür werben möchten. Darüber hinaus veranstaltet „razem 89“ selbst diverse Events, wie z.B. die Warschauer Festmeile auf der Straße Krakowskie Przedmieście mit Happenings, der Ausstellung „Sztafeta do Wolności 1976-1989“ (Staffel zur Freiheit) und Informationsständen.
Das vom 17.08.-02.09. in Gdańsk stattfindende Festival „Solidarity of Arts“ soll die beiden Jubiläen, den Jahrestag der ersten freien Wahlen und den deutschen Angriff auf Polen, miteinander verbinden. Am 1. September wird unter anderem die Ausstellung „Klisze pamięci – Abbilder der Erinnerung” von Marian Kołodziej eröffnet, in deren Zentrum Zeichnungen aus der Lagerzeit des Autors in Auschwitz stehen.
Am 1. September erwartet man in Gdańsk erneut Staatsbesuch. Dann wird dort an den 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen erinnert. Die Feierlichkeiten finden traditionell auf der Danziger Westerplatte statt und sind diesmal mit der Grundsteinlegung für das neue Westerplatte-Museum verbunden. Künstlerischer Höhepunkt der Feierlichkeiten am 1. September wird die Aufführung des „War Requiem“ von Benjamin Britten sein. Bei der anschließenden Multimediashow von Thyra Hilden und Pio Diaz, wird die Marienkirche symbolisch in Flammen aufgehen.
Der erste demokratisch gewählte polnische Ministerpräsident, Tadeusz Mazowiecki, traf sich im November 1989 mit dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl auf Gut Kreisau in Krzyżowa. Sie beschlossen damals, das Gut des Widerstandskämpfers Henry James Graf von Moltke wieder aufzubauen und als internationale Begegnungsstätte zu nutzen. Zum 20. Jahrestag ihres Bestehens veranstaltet die deutsch-polnische Stiftung Kreisau im November eine Gedenkveranstaltung mit einem Gottesdienst. Schon zuvor findet vom 5. bis 7. Juni eine Konferenz unter dem Motto „20 Jahre Stiftung Kreisau für ein neues Europa“ statt, zu dem ehemalige Aktivisten der Opposition aus verschiedenen Mittel- und Osteuropäischen Staaten eingeladen sind. (Polnisches Fremdenverkehrsamt)

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