18. Mai 2009, Lechtal, Reisereportagen

Erstes Bergheu-Museum im Lechtal eröffnet

Großvaters Gleichung war ebenso einfach wie lebenswichtig: „Ein Hektar Bergwiese ernährt im Winter eine Kuh, eine Kuh ernährt einen Menschen.“ Egon Brandhofer, der Enkel, kennt noch jene Zeit, in der die Bauern im Tiroler Lechtal auch steilste Berghänge in mühevoller Arbeit mähten, da die Flächen im Tal weder für Mensch noch Tier ausreichten. Das Bergheu war überlebenswichtig, jetzt kommt es zu musealen Ehren: Das neue Lechtaler Bergheu-Museum, das in diesem Sommer auf der Jöchelspitze in Tirols ursprünglichstem Alpental eröffnet wird, erinnert an karges Leben, harte Arbeit und einfache Kost.

Egon Brandhofer (39), der als Bauernbub noch jene Tage der Bergmahd erlebte und der heute das Berggasthaus auf der Jöchelspitze führt, will die (nicht immer) gute alte Zeit ein wenig der Nachwelt erhalten. „Immer mehr Heustöcke sind verfallen“, bedauert er. In diesen Holzhütten wurde einst das Heu gelagert, bis es im Frühwinter auf dem ersten Schnee mit dem Schlitten ins Tal gebracht wurde. Hier übernachteten auch oft die müden Knechte, wenn sich der Heimweg ins Tal nicht mehr lohnte.

Heute lohnt der Weg in die entgegen gesetzte Richtung. Das neue, weltweit einzige Bergheu-Museum, das am 11. Juni eröffnet wird, entstand auf Initiative Brandhofers und mit Unterstützung des örtlichen Tourismusverbandes in einem ehemaligen Heustock. Jeden Mittwoch schlägt dann die Stunde von Albert Wolf. Der geprüfte Bergwanderführer zeigt seinen Gästen einmal wöchentlich im Rahmen einer botanischen Wanderung die Schönheiten des Lechtals, das seit 2004 den Titel Naturpark tragen darf und für seinen Pflanzen-Reichtum berühmt ist. Vor allem sein Hausberg, die 2.226 Meter hohe Jöchelspitze, hat es dem 55-jährigen Landwirt angetan. Ihre Artenvielfalt sei ein „wahres Wunderwerk der Natur“, schwärmt er. Am Gedeihen von Enzian und Alpenrosen lässt er seine „Mitläufer“ gerne teilhaben. Ab diesem Sommer wird die Route erweitert, führt sie doch ins neue Bergheu-Museum. Dort erwartet die Besucher ein Blick in vergangene Tage, als auf extrem steilen Wiesen hart gearbeitet wurde. Antike Gerätschaften – Sensen, Rechen, Dengelapparate – und alte Bilder erinnern an jene Zeit. Und es duftet nach Heu. Denn Museums-Macher Egon Brandhofer sorgt immer für frischen Nachschub und gibt der Geschichte eine sinnliche Komponente.

Das harte Leben der Bergbauern-Familien wird im neuen Museum auch kulinarisch belegt. Milch und Mehl, Gries und Mehl, Mais, Butter und Mehl – aus diesen Zutaten entstand das sogenannte Muas, das tägliche Brot der Bergler, in verschiedenen Variationen. „Fleisch war die Ausnahme“, berichtet Egon Brandhofer. Sogenannte Strauben, in heißem Fett gebackene Teigstücke, zählten zu den Köstlichkeiten. Vom „Gschtöpf“, einer Art Kaiserschmarrn, ganz zu schweigen. Auch die Museumsbesucher erwartet im Rahmen der botanischen Wanderung ein kleiner kulinarischer Einblick in die Küche von einst. Auf der eigens installierten offenen Feuerstelle entstehen schmackhafte Kostproben.

„Es war ein hartes Brot“, berichtet Albert Wolf (55) – und meint damit weniger die kulinarischen Errungenschaften von anno dazumal, sondern die generellen, von Armut und Kinderreichtum geprägten Lebensbedingungen. Bis zu 2.200 Meter hohe Berggipfel wurden bearbeitet. Auf steilen Hängen mähten die Bauern das Berggras, dem Wolf einen sehr hohen Nährwert attestiert. „Darin finden sich wertvolle Gräser und Kräuter.“ Er selbst hält an der Tradition fest und mäht auch heute noch so manche Bergwiese, um seinen sieben schottischen Hochlandrindern den Trog zu füllen.

Auf der Jöchelspitze informiert zudem ein botanischer Lehrpfad über die eindrucksvolle Pflanzenvielfalt der Region. Zehn Schautafeln geben auch dann Auskunft, wenn man nicht mit Wanderführer Albert Wolf auf Tour geht. Er sammelt seine Wanderer jeden Mittwoch um 9.30 Uhr an der Talstation der Jöchel-Spitzbahn in Bach. Die Teilnahme an der Wanderung ist kostenfrei.

Hinauf geht es zumeist mit der Bergbahn. Auch deren Benutzung ist gratis – sofern der Fahrgast im Besitz einer Lechtal Aktiv Card ist. Sie bietet dem Feriengast nicht nur den Gipfelsturm zum Nulltarif: Bei mehreren Linien des Wanderbus und beim Linientaxi in die Seitentäler, auch bei anderen Bergbahnen und beim Eintritt in die Bäder der Region. Hinzu kommen geführte Touren wie die botanische Wanderung, Konzerte und Vorträge.

Das weltweit einzigartige Museum ist bis Mitte Oktober immer am Mittwoch im Rahmen der botanischen Wanderung zu besichtigen. Sondertermine koordiniert der Tourismusverband. (Lechtal Tourismus)



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