16. Juni 2009, Reisereportagen, Vorarlberg

Sonnenaufgangswanderung auf die Kanisfluh

MELLAU, 3:15 Uhr. Dieser Mann kennt sich hier wirklich aus. „Mindestens zwanzig Mal pro Jahr gehe ich auf die Kanisfluh“, sagt Bergführer Hans und kramt in seinem Rucksack nach Stirnlampen. Seit 1954 wohnt er in Mellau, einer 1.300-Seelen-Gemeinde in Vorarlberg. Und seitdem hat es ihm die Kanisfluh, das 2.044 Meter hohe Wahrzeichen des Bregenzerwaldes, angetan. Die täglichen Bergtouren halten ihn sichtbar jung. Er weiß das – und gibt die Frage nach seinem Alter mit einem Lächeln zurück: „Was schätzt ihr denn?“

Wir sind sieben Leute, die uns um 3:15 Uhr am Mellauer Tourismusbüro getroffen haben: Ein deutscher Vater mit zwei Töchtern, der sich sofort mit einem fröhlichen „Hallo, ich bin der Thomas“ vorstellt sowie ich mit drei Freunden. Uns gemeinsam ist sofort das stille Einverständnis, dass wir die „wahren Bergfreunde“ sind; die Unerschrockenen, die auch eine sehr kurze Nacht mit wenig Schlaf nicht scheuen, um das echte Berggefühl zu erleben. Bei Tageslicht und nach einer achtstündigen Nachtruhe kann ja jeder wandern.

Absolute Stille am Alpengasthof Edelweiß
Doch zunächst gilt es, Organisatorisches zu klären: Isabel (9 Jahre alt) und Theresa (7), Thomas´ Töchter, sind sich bei der Garderobe noch nicht einig. Thomas selbst mahnt sie dazu, wenigstens einen kleinen Müsliriegel vor dem Aufstieg zu verputzen, um nicht mit völlig leerem Magen unterwegs zu sein. Hans steigt zu uns ins Auto, die erste Etappe zum Alpengasthof Edelweiß verläuft mit motorisierter Unterstützung. Als wir nach 20 Minuten dort, auf 1.400 Meter Seehöhe, ankommen, erwarten uns funkelnde Sterne und ein klarer Nachthimmel. Uns umgibt absolute Stille. Sogar die bislang aufgeregt schnatternden Mädchen schweigen einen Moment lang andächtig. Schon jetzt ist klar: Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt.

Hans verteilt die Stirnlampen und kündigt an: „In anderthalb Stunden sind wir auf dem Gipfel.“ Und schon geht er voran; gemäßigten, aber stetigen Schrittes. An einigen Stellen ist der Weg rutschig – kein Problem für Isabel und Theresa, aber sehr wohl für den schwereren Papa. Ihm ist der Spott seiner Töchter sicher. „Wir sind die besten Wanderer in der Familie“, verkünden sie mitleidlos und setzen sich wieder direkt hinter Hans. Thomas trägt es mit Fassung und setzt seinen Weg tapfer keuchend fort. Nach einer Stunde gibt es die erste Trinkpause. Langsam wird es heller, die Alpe Wurzach ist zu unseren Füßen zu erkennen. „Dort kehren die Wanderer im Sommer auch während der Alpzeit zum anschließenden Alpfrühstück gerne ein“, weiß Birke Nussbaumer vom Tourismusbüro Mellau.

Müdigkeit ist im Tal geblieben
Kurz danach kreuzen immer wieder Schneehühner unseren Weg – „ganz schlechte Flieger“, wie Hans lachend erzählt. Die ersten Sonnenstrahlen kündigen sich schwach an, als wir nach 80 Minuten den Holenke-Gipfel erreichen; glücklich und kaum abgekämpft. Die Müdigkeit, die noch vor drei Stunden das Aufstehen fast unmöglich machte, muss irgendwo auf dem Weg geblieben sein. Hier oben angekommen ist sie jedenfalls nicht. „Erfahrungsgemäß gehen im Herbst, wenn man nicht mehr ganz so früh aufstehen muss, mehr mit als im Frühjahr“, sagt Nussbaumer. Dann trifft man sich erst um 5 Uhr.

Kanisfluh bedeutet etwa „steiler Hang“: Der Blick von oben geht beinahe senkrecht hinunter. Beim Gipfelkreuz nur strahlende Wanderer, die sich mit Mineralwasser oder warmem Tee zuprosten. Hans erklärt uns die südlich liegenden Berge, von der Damülser Mittagsspitze bis zur Roten Wand im Lechquellengebiet. Schnell sind 50 Minuten auf dem Gipfel vergangen, es geht zurück ins Tal.

An der Alpe Wurzach muss Hans uns verlassen, er nimmt hier um 10 Uhr die nächsten Wanderer in Empfang. Wir sind mittlerweile etwas erschöpft, aber stolz. Für Hans´ neue Gruppe haben wir nur ein müdes Lächeln übrig. Bei Tageslicht kann ja jeder wandern.

Infobox
Die Sonnenaufgangswanderung auf die Kanisfluh bietet das Tourismusbüro Mellau seinen Gästen jeden Donnerstag bis zum 15. Oktober 2009 an. Die Teilnahme ist kostenlos, telefonische Anmeldung unbedingt erforderlich: +43 (5518) 2203. Weitere Infos unter www.mellau.at oder per E-Mail an tourismus@mellau.at

Wichtig sind festes Schuhwerk und Kleidung zum Wechseln. Beim Aufstieg werden 600 Höhenmeter auf sicheren Wegen überwunden. Bis zum Gipfel braucht man ca. 90 Minuten. Einen optischen Eindruck des Gebietes bietet auch das Video über die Kanisfluh, einzusehen auf www.vorarlbergvonoben.at. Wanderangebote in ganz Vorarlberg

„Wandern und Genießen“ im Biosphärenpark Großes Walsertal
Eine Sonnenaufgangswanderung mit anschließendem Kaiserfrühstück am Berg ist Teil einer Wanderpauschale des Vier-Sterne-Hotels Faschina, das auf luftigen 1.500 Metern Seehöhe liegt: Sechs Übernachtungen/Halbpension, dazu fünf weitere geführte Wanderungen mit der Gastgeberfamilie, dazu Schmankerl wie beispielsweise Massage und Weinverkostung für 499 Euro pro Person. Gültig vom 20.6. bis 11.7. und vom 19.9. bis 11.10. www.hotel-faschina.at

„Sommerfrische Klostertal“
Die ganze Saison über laden Privatvermieter Wanderfreunde zur Sommerfrische in den Südosten Vorarlbergs. Vier Übernachtungen mit Frühstück plus geführte Wanderungen gibt es hier für günstige 126 Euro pro Person. Außerdem im Preis inkludiert: Die SommerAktivCard für drei Tage, die zur uneingeschränkten Benutzung der Bergbahnen und öffentlichen Verkehrsmittel im Klostertal, aber auch im Montafon, Brandnertal sowie in Bludenz berechtigt. www.klostertal.info

„Blühende Bergwiesen“ in Lech am Arlberg
Unter dem Namen „Bergbühne Spitzenegg“ haben sich drei benachbarte Häuser über den Dächern von Lech zusammengeschlossen: Das ***Hotel Formarin, das ***Landhaus Bischof und die Bergland Appartements. Die gemeinsame Pauschale „Blühende Bergwiesen“ bietet für drei (Do bis So) oder vier Übernachtungen (So bis Do) Genusswanderern unter anderem eine Morgentour zum Bergfrühstück. Ab 148 Euro pro Person, gültig vom 2. bis 26. Juli. www.spitzenegg.at

Tipp: Prospekt „Wanderlust – Natur.Bewusst“
Wanderfreudige finden im Prospekt „Wanderlust – Natur.Bewusst“ wertvolle Anregungen: Wander- und Tourenvorschläge, Informationen über Seilbahnen, Berggasthäuser und Berghütten, dazu Wander-Arrangements ausgewählter Hotels sowie Tipps rund um die Sicherheit in den Bergen. „Wanderlust – Natur.Bewusst“ gibt es bei Vorarlberg Tourismus, auch als Download auf www.vorarlberg.travel. (voralberg)



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