26. Juli 2009, Galicien

Pilgern auf dem Jakobsweg im Heiligen Jahr 2010

Der 31. Dezember dieses Jahres wird in Santiago de Compostela wieder ein ganz besonderer Tag sein. Dann nämlich wird der Erzbischof der Stadt die Heilige Pforte der mächtigen Kathedrale von Santiago von außen mit drei Hammerschlägen öffnen und damit ein weiteres Heiliges Jahr einläuten. Die Zeremonie geht zurück auf das 15. Jahrhundert und auf das Ritual der Öffnung der Heiligen Pforte des Petersdoms in Rom. Seit damals wurde in den Heiligen Jahren bei Durchschreiten der Heiligen Pforte den Pilgern ein vollkommener Ablass aller begangenen und zukünftigen Sünden gewährt. Die Kathedrale von Santiago erhielt Anfang des 12. Jahrhunderts durch Papst Calixtus II das Privileg „Heilige Jahre“ durchführen zu dürfen. Das erste Heilige Jahr von Santiago de Compostela wurde wahrscheinlich im Jahr 1182 gefeiert. Die Heilige Pforte der Kathedrale von Santiago, die auf spanisch „Puerta Santa“ oder „Puerta del Perdón“ (Gnadentor) heißt, darf nur in solchen Jubeljahren geöffnet werden.

Ein Heiliges Jahr feiert Santiago de Compostela immer dann, wenn der Festtag des heiligen Jakobus, der 25. Juli, das Datum an dem der Märtyertod des Apostels gefeiert wird, auf einen Sonntag fällt. Dadurch wird das Jubiläumsjahr alle 6, 5, 6 und 11 Jahre gefeiert. Die unregelmäßige Anordnung der Jahre ist auf die Schaltjahre zurückzuführen. Das nächste Heilige Jahr nach 2010 ist somit erst wieder 2021.

Alle, die sich dann nach Santiago de Compostela begeben, können eine weitere Besonderheit erleben. In der Kathedrale wird der riesige Weihrauchkessel, der Botafumeiro, zu jeder Pilgermesse geschwenkt. In den „normalen“ Jahren geschieht dies nur zu besonderen Anlässen.

2010 könnte also eine ideale Gelegenheit sein, wenn man seit langem den Wunsch hegt, sich auf den Jakobsweg zu machen. Dieser Pilgerweg, der zum Kulturerbe der Menschheit erklärt wurde, erfreut sich seit Jahren steigender Beliebtheit und man trifft Menschen aus aller Welt an. Insbesondere in den Heiligen Jahren vervielfacht sich die Anzahl der Pilger, die es nach Santiago de Compostela zieht. Zählte man im Jahr 1993 noch 99.436 Pilger, so erreichten im letzten Heiligen Jahr 2004 bereits fast doppelt so viele, insgesamt 179.944, die galicische Stadt.

Der Weg selbst hat eine lange Geschichte und seine Entstehung liegt viele Jahrhunderte zurück. So bedeutete die Entdeckung der Gebeine des Apostels Jakobus, der der Überlieferung nach den Norden der iberischen Halbinsel zum Christentum bekehrt haben soll, im Jahr 813, der Anfang der Pilgerwanderungen nach Compostela. Auf Anordnung des Königs „Alfonso II el Casto“, wurde am Fundort eine kleine Kirche gebaut. Die Nachricht darüber erreichte die christliche Gläubigergemeinschaft der westlichen Königreiche. Damit nahmen die Pilgerreisen auf dem Jakobsweg, der auch den Namen „Weg der Sterne“ trug, und die Verehrung des heiligen Jakobus ihren Anfang. Die Verleihung bestimmter spiritueller Ablässe im 12. und 13. Jahrhundert machte ihn endgültig zu einem Pilgerweg.

Neben seiner spirituellen Bedeutung spricht man dem Jakobsweg das Attribut zu, Rückgrat der kulturellen Einheit Europas gewesen zu sein. Die Route der Pilger nahm ihren Ausgang von Schweden, Polen, den Niederlanden, Irland, den britischen Inseln und der Türkei aus. Alle Wege vereinigten sich in Frankreich, um sich von dort in einem einzigen Strom nach Galicien zu richten. Der Jakobsweg sorgte im Laufe der Jahrhunderte zu einer einmaligen Bereicherung der Kultur an diesem ersten großen Wallfahrtsnetz Europas. Es wurden Kathedralen, Klöster, Dörfer und Städte gebaut. Der Weg sorgte für einen regen kulturellen Austausch innerhalb Europas und brachte vielen, bis dahin unbewohnten Gegenden einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung. Man kann ihn getrost als die erste europäische Kultur-Reiseroute bezeichnen. Nicht von ungefähr behaupten zahlreiche Autoren dass „Europa durch die Pilgerreisen nach Compostela entstand“.

Im Laufe der Geschichte sind es viele Wege, die die Pilger nach Santiago de Compostela gegangen sind. Der bedeutendste Weg ist bis heute der „Camino Frances“, der Französische Weg von Roncesvalles über die Pyrenäen durch Navarra, La Rioja und Kastilien-León über den Ort Piedrafita nach Galicien. Ein Weg, der mittlerweile an Beliebtheit gewinnt, ist der „Camino del Norte“, der Nördliche Weg, der vom Baskenland aus über Kantabrien und Asturien am Meer entlang über Fonsagrada nach Galicien führt. Auf dem „Camino de la Plata“, dem alten Silberweg der Römer gelangen die Pilger von Córdoba und Sevilla aus über die Extremadura und Salamanca nach Galicien. „El Camino Portugués“, der portugiesische Weg beginnt in Oporto, führt dann auf verschiedenen Wegen über Limia oder über den Norden bis Tui und von dort nach Santiago. Schließlich gab es immer Pilger, die von den Häfen Nordeuropas aus über die Meeresrouten und die galicischen Häfen Ferrol und A Coruña ins Endziel Santiago de Compostela gelangten.

So vielfältig wie die Landschaften, die man auf diesen Wegen meist zu Fuß, immer häufiger jedoch auch per Rad durchquert, sind die Menschen, die man trifft und ihre Motive. War im Mittelalter meist die Religion der treibende Grund einer Pilgerreise, so reichen die Motive in der heutigen Zeit vom spirituell-religiösen Anlass und der Selbstfindung über die soziale Komponente, Menschen treffen zu wollen bis hin zum kulturellen und naturlandschaftlichen Interesse.

Die verschiedenen Routen des Jakobsweges verfügen über eine hervorragende Infrastruktur und ein breites Angebot an Unterkünften für die Pilger. Wer nicht immer nur in den einfachen und kostengünstigen Pilgerherbergen übernachten will, findet entlang des Weges eine beachtliche Anzahl an Hotels jeder Kategorie und ländlichen Gasthäusern.

Durch all die Jahrhunderte hindurch haben der Jakobsweg und sein Ziel, die Stadt Santiago de Compostela, nie ihre Anziehungskraft verloren. Gerade heute machen sich mehr Menschen den je auf diesen uralten, völkerverbindenden Weg, um letztendlich durch die berühmte „Pforte der Glorie“, einem der schönsten Werke der Bildhauerkunst, die großartige Kathedrale von Santiago de Compostela zu betreten. (Tourspain)



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