11. Oktober 2009, Wien

Zu Besuch bei Franz Schubert auf dem Wiener Zentralfriedhof

Ein Friedhof als Sehenswürdigkeit? In Wien gibt es das. Nicht umsonst sagt man der Stadt und ihren Bewohnern einen Hang zum Morbiden nach.

So zentral wie der Name vermuten lässt, liegt der Wiener Zentralfriedhof gar nicht. Er befindet sich im 11. Bezirk, im Südosten der Stadt. Vom Zentrum aus braucht die Straßenbahn eine halbe Stunde bis zum so genannten 2. Tor, dem Haupteingang. Im 19. Jahrhundert stieg die Einwohnerzahl Wiens rasant an, entsprechend erhöhte sich der Bedarf an Grabstätten. Da die kleinen städtischen Friedhöfe überfüllt waren, wurde ein zentraler Standort geplant und 1874 in Betrieb genommen.

Flächenmäßig ist die Wiener Begräbnisanlage mit 2,5 km² der zweitgrößte Friedhof Europas (nach dem Friedhof in Hamburg Ohlsdorf), von der Zahl der Bestatteten her gesehen mit rund drei Millionen der größte. Sogar eine eigene Buslinie verkehrt hier. Der Wiener Zentralfriedhof besteht aus einem interkonfessionellen Teil und aus mehreren konfessionellen Abteilungen, unter Anderem einem jüdischen, orthodoxen, islamischen und buddhistischen Bereich.

Als „Aphrodisiakum für Nekrophile“ hat der Künstler André Heller den Zentralfriedhof bezeichnet, er ist vor allem aber ein durch und durch Wienerischer Ort. Hierher macht man auch einen Familienausflug, spaziert entlang der schönen Alleen – das Straßennetz der Anlage beträgt über 100 Kilometer – und besichtigt die vielen Ehrengräber. Am Zentralfriedhof ruhen große Persönlichkeiten: Künstler wie Franz Schubert, Ludwig van Beethoven, Johann Strauß Vater und Sohn, Helmut Qualtinger oder Falco, Politiker wie Bruno Kreisky und sämtliche österreichischen Präsidenten seit 1951. Auch kleine Tiere lassen sich auf dem weitläufigen Areal, das Teil des östlichen Grüngürtels der Stadt ist, bewundern. Der Zentralfriedhof ist eine Naturoase und Rückzugsgebiet für seltene Schmetterlinge, für Eichhörnchen, Hasen, Vögel, Marder und sogar Rehe.

Typisch Wienerisch am Zentralfriedhof ist auch, dass der Kunstgenuss nicht zu kurz kommt. Architektur-Interessierte finden beim Hauptportal ein echtes Jugendstiljuwel. Die 1911 eingeweihte Kirche „Zum Heiligen Karl Borromäus“ des Otto-Wagner-Schülers Max Hegele besticht durch ihr wuchtiges Äußeres und ihr wunderschönes Interieur: aufwändig gestaltete Fliesenböden, Wandmalereien und ein Kuppelmosaik mit einem goldenen Strahlenkranz samt 999 Sternen auf blauem Grund.

Ein Ausflug auf den Zentralfriedhof lohnt sich also immer. Vielleicht singen ja gerade Chorsänger der Staatsoper bei einem Begräbnis oder es musizieren ein paar Philharmoniker am offenen Grab. Denn auf eine „schöne Leich“, eine Bestattung mit Prunk und Stil, legen viele Wiener und Wienerinnen noch immer großen Wert.

Zentralfriedhof

Simmeringer Hauptstraße 234, 1110 Wien
Straßenbahn 6 und 71

Öffnungszeiten:
3. Nov.-Feb. 8-17 Uhr,
März, Okt.-2. Nov: 7-18 Uhr,
April + Sept.: 7-19 Uhr,
Mai-Aug.: 7-20 Uhr

Öffnungszeiten Kirche „Zum Heiligen Karl Borromäus“:
März- Okt.: 9-17, Nov.-Feb.: 9-16 Uhr

Ein Plan des Zentralfriedhofs und seiner Ehrengräber ist beim Haupteingang (Tor 2) erhältlich. (wien tourismus)



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