Natürliche Vielfalt im Westen Serbiens
Naturvielfalt ist charakteristisch für Westserbien – und davon findet sich eine Menge zwischen der Macva-Ebene im Norden bis zu den südlich gelegenen Anhöhen und Bergen von Tara, Zlatibor, Zlatar oder auch Golija. Kein Wunder, dass Landtourismus hier das große Schlagwort ist. Und die Naturbelassenheit 2001 die UNESCO auf den Plan rief, die Teile des 1.833 Meter hohen Golija zum Biosphärenreservat erklärte. Ausgangspunkt für Touren in die Region ist die rund 15.000 Einwohner zählende Kleinstadt Ivanjica. Zwar steckt man in dem kleinen Luftkurort und den nahen Dörfern noch vergleichsweise in den touristischen Kinderschuhen, wenn man diese etwa dem schon seit den 1890er Jahren als touristisches Ziel genutzten Zlatibor gegenüberstellt, doch es gibt Potential: Ein Ausbau der Wandermöglichkeiten auf dem Goljia ist ebenso geplant wie ein kleines Skigebiet, aber auch die diversen Klöster, allen voran das UNESCO-geschützte Studenica, sind reizvolle Ziele.
Ivanjica liegt rund 220 Kilometer südlich von Belgrad. Zur Anreise empfiehlt sich das Auto, denn der nächste Bahnhof liegt 42 Kilometer entfernt in Požega. Gelegen auf knapp 470 Metern Meereshöhe wurde die Stadt selbst erst 1833 nach dem endgültigen Rückzug der Osmanen und der neugewonnenen Autonomie Serbiens gegründet. Kaum gebaut wurde Ivanjica 1846 bereits Opfer eines katastrophalen Feuers, das die Altstadt fast komplett zerstörte.
Das Städtchen schlängelt sich heute am Flüsschen Moravica entlang und entstand rund um einen türkischen Kušića Han. Benannt wurde die Großgemeinde, zu der insgesamt rund 36.000 Einwohner inklusive der kleinere Dörfer gehören, nach der für ihre Heilkräfte bekannten Pflanze Salweide (serbisch: Iva), die einst um den vorbenannten Han wuchs, der noch immer in der Stadtmitte steht. Er wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts im für die dinarischen Alpen typischen Holzbau erstellt und diente dereinst als Gasthof. An dem neu gegründeten Ort wurde zuerst eine Schule (1836), ein Gerichtshof sowie andere Institutionen errichtet. Die Erbauung der so genannten Alten Kirche direkt gegenüber des Han durch den Kaiser Konstantin und die Kaiserin Helene (1836-1838) wurde über lokale Spender finanziert – die Mauern und Fresken gehen zurück auf das Jahr 1862. Sie ist verziert mit Ikonen und Wandbildern von Dimitrije Posinković.
Jeremics Haus, eines jener zwölf Häuser, die dem Feuer von 1846 trotzten, befindet sich ebenfalls im Zentrum der Stadt und wurde vor kurzem komplett renoviert. Heute ist es ein Wahrzeichen Ivanjicas und kann am Ende der Stadtpromenade, einer im Sommer lebhaften kleinen Fußgängerzone, besichtigt werden. Außen ist die alte Fassade mit den authentischen, architektonischen Merkmalen noch sichtbar, im Gebäude befindet sich mittlerweile ein modernes Café. Zwischen ihm und dem Han steht das Denkmal zu Ehren des in Ivanjica geborenen Draža Mihailovič (1893-1946), des Kommandanten der Königsmächte während der Nazi-Besetzung im Zweiten Weltkrieg. Ein weiteres Wahrzeichen Ivanjicas ist ihre Steinbrücke – die größte Steinbrücke mit einem Bogen im gesamten Balkan. Sie wurde aus keilförmigen Steinen ohne Bindemittel zwischen 1904 und 1906 von italienischen Handwerkern erbaut und hat ein stürmisches Jahrhundert überdauert – und noch heute erfüllt sie ihren Zweck. 1911 ging das fünfte Wasserkraftwerk Serbiens in Betrieb – in Ivanjica. Das Kraftwerk wurde vor kurzem umgebaut, erzeugt immer noch Strom, dient aber inzwischen auch als eine Art technisches Museum. Einer der touristischen Anziehungspunkte ist nach wie vor der dabei entstandene Wasserfall des Moravica Flusses am einen Ende des gut einen Kilometern langen Stadtparks, der sich an Fußgängerzone und Han anschließt. Er ist neun Meter hoch und 16 Meter breit – und ist bis heute ein beliebter Treffpunkt und gern genommenes Fotomotiv der Kleinstadt, die auch bekannt für die hier in der Umgebung wachsende Kartoffeln namens Ivanjički krompir ist.
Neben dem etwa 40 Kilometer entfernten Berg Golija mit seinem höchsten Punkt, dem Jankov kamen, und einem rund 20 Kilometer langen markierten Gebirgswanderweg, locken kleinere Dörfer in der Umgebung des Luftkurorts, die in Serbien zu den bekanntesten in Sachen Dorf- und Landtourismus zählen. Das berühmteste darunter ist Kušići, aber auch Lisa, Devići und Katići. Das Dörfchen Kumanica, am oberen Lauf des Moravica liegend, wiederum ist bekannt für seine der Römerzeit zugeordnete Steinbrücke. Sie ist 14 Meter lang sowie 2,4 Meter breit und wurde in den 1980er Jahren restauriert. An ihrem idyllischen Plätzchen hat die Stadt ein kleines Bauerhäuschen mit Grillplatz gebaut. Bewirtschaftet von einem Gastronomenpaar aus Ivanjica lässt sich hier nach Voranmeldung gut essen, für Übernachtungen stehen zwei rustikale Zimmer zur Verfügung. Allerdings: fließend Wasser bietet derzeit nur der Fluss.
Wer die kurvenreichen Anfahrten nicht scheut und Zeit mitbringt, kann daneben auch allerlei sakrale Baukunst bestaunen – allen voran das 50 Kilometer entfernte UNESCO-Welterbe Studenica, dessen ältester Teil aus dem Jahr 1196 datiert. In den Wäldern des Berges Golija liegt zudem das Kloster Gradac aus dem 13. Jahrhundert, erbaut in der Tradition der so genannten Raška-Schule, kombiniert mit Elementen der Gotik. Beide Bauten sind übrigens Stationen des serbischen Teilstücks der Transromanica. Wer von Ivanijca gen Südwesten aufbricht, wird zum Kloster Mileseva kommen, dessen Fresken vom „Weißen Engel“ zu den berühmtesten des Landes zählen.
Mehr zu Ivanjica, dem Berg Golija und seiner Umgebung auch in deutscher Sprache unter www.ivanjica.rs. Die angrenzenden, im Ausland bereits bekannteren Regionen sind die Naturparks des Zalitbor-Plateaus sowie Tara. (NATIONALE TOURISMUS ORGANISATION SERBIENS (NTOS))
Tweet» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen