8. November 2009, Serbien

Zu Besuch in der größten Kathedrale des Balkans

Sie ist nicht nur groß, sie ist gewaltig. Und beeindruckt auch Andersgläubige: Die serbisch-orthodoxe Kathedrale des Heiligen Sava, jahrzehntelang eine Bau-Ruine, ist heute nicht nur die größte Belgrads und auf dem Balkan, sondern zählt zu den größten orthodoxen Gotteshäusern der Welt überhaupt. Nicht zuletzt deshalb steht sie auf dem Besuchsprogramm vieler Belgrad-Reisender. Benannt nach dem Erzbischof und serbischen Nationalheiligen Sava (1175-1236), ist sie an jenem Ort errichtet worden, wo Hodscha Sinan Pascha 1595 die sterblichen Überreste des Heiligen verbrennen ließ. 300 Jahre später wurde der geschichtsträchtige Ort für einen neuen Sakralbau ausgewählt. Was ehrgeizig begann, sollte noch viele Jahre dauern, wovon der heute noch immer unfertige Kirchenbau zeugt. Besuche sind aber inzwischen täglich möglich.

Besucher Belgrads müssen sich nicht wirklich anstrengen, um die Kathedrale des Heiligen Sava zu finden. Schon von weitem ist sie aufgrund ihrer unübersehbaren Lage auf dem Hügel Vračar und vor allem an ihrer mächtigen, schon allein 65 Meter hohen Kuppel zu erkennen, die beim Betreten des Kirchenraums den Blick des Betrachters nach oben zieht. Allein ihr goldenes Kuppelkreuz ist zwölf Meter hoch. Die Flächenmaße der Kirche selbst betragen 91 mal 81 Meter. Samt ihrer riesigen Emporen und dank einer Grundfläche von damit 7.500 Quadratmetern bietet sie so Platz für bis zu 12.000 Gläubige.

Die Architekten Aleksander Deroko und Bogdan Nestorović, inspiriert von frühchristlichen, byzantinischen und serbischen Baudenkmälern des Mittelalters, nah-men die Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, die Hagia Sophia im damaligen Konstantinopel (dem heutigen Istanbul), als Vorbild. Als Zentralkuppelbau unterscheidet sich die Kathedrale des Heiligen Sava im Grundriss von ihrer Schwester am Bosporus jedoch insofern, dass in Belgrad keine Verschmelzung von Basilika und Zentralbau gewählt wurde. Anklänge an die serbische Baukultur des Mittelalters sind zum einen durch die Ergänzung von vier kleinen Türmen um die Hauptkuppel, zum anderen durch die Form der Kreuzarme und die Marmorverkleidung der Außenwände erkennbar.

Die „lange“ Bauzeit, berücksichtigt man die jahrzehntelangen Unterbrechungen sind es 75 Jahre, spiegelt in gewisser Weise auch die turbulente und abwechs-lungsreiche Geschichte Serbiens wider – aber auch das „Durchhaltevermögen“ der Gläubigen: Mit dem Bau wurde nach jahrelanger Planung und etlichen Verzöge-rungen endlich am 15. September 1935 – mit der Grundsteinlegung durch Patri-arch Varnava – begonnen, obgleich die Pläne schon Ende des 19. Jahrhunderts aufkamen. Vier Jahre später konnte Patriarch Gavrilo, am 27. Mai 1939, noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Weihe vollziehen. Durch die Invasion deut-scher Truppen am 6. April 1941 und die Wirren der darauffolgenden Kriegs- und Nachkriegsjahre sowie durch das kommunistische Regime während der Ära Titos kam es allerdings zu einer 40-jährigen Bauunterbrechung, genauer gesagt bis 1985.

Die Wiederaufnahme der Arbeiten an dem Monumentalbau, von dem bis dahin nur wenige Meter hohe Außenwandfragmente standen, begann im April 1985, als Pat-riarch German den Bau erneut weihte. Ein Meilenstein wurde schließlich im Jahr 1989 mit der Fertigstellung – der modernen Betonbauweise sei Dank – des Roh-baus und der Kuppel sowie der Aufstellung des zwölf Meter hohen Kreuzes auf der Kuppel erreicht. 2003 gingen Bilder des Sakralbaus um die Welt, als im unfertigen Gotteshaus das Staatsbegräbnis des ermordeten Staatspräsidenten Zoran Djindjic stattfand. Offiziell eingeweiht wurde die Kathedrale schließlich im Jahr 2004. Liturgien und Messen werden seitdem regelmäßig in dem Gotteshaus abgehalten.
Inzwischen sind die Arbeiten im Außenbereich (Fassade wie Grünanlage) fertig gestellt worden. Das Innere der Kirche ist jedoch eher als unfertig anzusehen: Die Feinarbeiten an den – für orthodoxe Kirchen – typischen Mosaiken und Fresken sollen voraussichtlich bis 2012 andauern. Dabei darf nicht vergessen werden: Die Baumaßmaßnahmen finanzieren sich ausschließlich aus Spendengeldern. Vor diesem Hintergrund beeindruckend ist schon jetzt neben der Größe das Kirchen-geläut, bestehend aus insgesamt 49 unterschiedlich gestimmten Glocken, die je nach Feiertag Lieder aus dem christlich-orthodoxen Gotteslob zu Gehör bringen. Dank des Hügel Vračar – oberhalb des Trg Slavija-Platzes – auf dem das domi-nante Bauwerk steht, ist die Kathedrale von fast allen Teilen Belgrads aus gut zu sehen und prägend für das Stadtbild der serbischen Hauptstadt.

Der Name der Anhöhe ist vermutlich auf das serbische Wort Vrač, was soviel wie Heiler bedeutet, zurückzuführen. Wichtige Ereignisse, die für die Entwicklung des Landes entscheidend waren, haben sich auf diesem Boden abgespielt: Im Jahr 1806 wurden auf diesem Feld die türkischen Eroberer erstmals unter Karađorđe, dem Führer des serbischen Aufstands gegen die Osmanen, geschlagen. Zur Erin-nerung an die Heldentat schmückt seine Statue den Karađorđe-Park vor der Westseite der Sava-Kirche. Der Bildhauer Sreten Stojanović schuf die Statue im Jahr 1955, feierlich enthüllt wurde das Denkmal aber erst 1979.
Der Vračar-Hügel beherbergt übrigens neben der Kirche des Heiligen Sava auch die Nationalbibliothek Serbiens, die von dem Architekten Ivo Kurtovic gestaltet wurde. Gut zu wissen: Östlich der Kirche liegt der Platz Svetosavski Trg. An seiner Nordseite steht wiederum die Figur jenes Heiligen Sava, der seinen Blick auf die Stadt richtet. Am besten zu erreichen ist die Kirche über den Bulevard Oslobođen-ja sowie die davorliegende Grünanlage an der Westseite. (NTOS)



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