Maschkera Tradition in der Zugspitz Region

Ihre Mission ist geheim, streng geheim. Denn schließlich verleihen die Larvenschnitzer der Zugspitz-Region so manchem Mitbürger eine zweite Identität. Wer sich hinter der kunstvoll geschnitzten Maske verbirgt, muss unerkannt bleiben – so will es die jahrhundertealte Faschingstradition des Maschkera-Gehens, das ab dem Dreikönigstag viele seltsame Gestalten in die Gassen und Gasthäuser der Region zieht.

Raunzende, grunzende, stampfende Männer trifft man dann in Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen, den närrischen Hochburgen der Zugspitz-Region. „Die große Kunst der Maschkera besteht darin, nicht erkannt zu werden“, sagt Georg Neuner aus Mittenwald. Der Geigenbauer treibt als Masken-Mann selber sein Unwesen und schnitzt in seiner Freizeit die aufwändigen Holzmasken, auch Larven genannt, die den Jecken am Fuße der Zugspitze ihr zweites Gesicht verleihen. „Wichtig ist, dass die Larve perfekt passt und ihrem Träger möglichst viel Spielraum lässt“, ergänzt Georg Lichtenwald aus Garmisch-Partenkirchen, der die kostbaren Stücke fertigt und für rund 300 Euro verkauft.

Wer die Maske aufsetzt, erwirbt zugleich die Lizenz zum Lärmen, Feiern und Schabernack treiben. Und darf sich dank der traditionellen Narrenfreiheit auch „daneben“ benehmen: Ihren ahnungslosen Mitbürgern lesen die Maschkera gerne mal ordentlich die Leviten. Damit keiner weiß wer’s war, verstellen die Männer gekonnt ihre Stimmen, ihren Gang, ihre Gestik.

„Um die Verwirrung perfekt zu machen, tauschen wir die Masken beim Feiern noch aus“, sagt Georg Neuner. Rund 40 Stück hat er bereits aus weichem Zirbelkieferholz geschnitzt und weiß, dass es vor allem der Gesichtsausdruck ist, der die Larven zu etwas besonderem macht. „In Mittenwald blicken die historischen Maschkera grundsätzlich dämonisch und streng drein“, erklärt er. Die entsprechende Wirkung erreicht er zum Beispiel beim Schnitzen der Mundwinkel. Hier muss jeder Schnitt wohl überlegt sein, denn „ein noch so kleiner Schnitzer kann den Charakter der Maske nachhaltig verändern“.

In eher freundliche Gesichter blickt man dagegen in Garmisch-Partenkirchen, wo die Maschkera seit jeher „nett lachen, blöd grinsen oder einfach nur starr schauen“, erklärt Georg Lichtenwald. Der Holzbildhauer benötigt fürs Schnitzen und Malen pro Maske rund 15 Stunden. Halten soll das zweite Gesicht möglichst ein Leben lang und sogar darüber hinaus. Schließlich werden die wertvollen Larven innerhalb der Familie vererbt. Wer keine hat, kommt zu Lichtenwald, einem der wenigen noch aktiven Larvenschnitzer der Region. „Manche Kunden bringen Fotos von außergewöhnlichen Masken mit, die ich dann nachschnitze“, sagt er. Stillschweigen über die falschen Identitäten seiner Auftraggeber ist natürlich garantiert.

Und doch treffen die Schnitzer beim Feiern ab und zu auf ein Gesicht, das aus der eigenen Hand stammt. „Eine Maske ist perfekt, wenn jeder sie anschaut, sobald sie auftaucht“, sagt Georg Neuner. Zu bewundern sind die Larven samt verkleideten Trägern den ganzen Fasching über. Nur an den so genannten halbheiligen Tagen, also Mittwoch, Freitag und Samstag, bleiben die Masken im Schrank. In Mittenwald ist das Maschkera-Gehen traditionell am 5. Februar tabu – an diesem Tag gedenken die Einheimischen dem großen Brand im Jahre 1830.

In Garmisch-Partenkirchen unterbricht das sonntägliche 16-Uhr-Läuten der Sebastian-Kirche das Spektakel. Die Glocken erklingen seit 1634 wöchentlich zur gleichen Zeit und erinnern an das letzte Pestopfer. Dann schlüpfen die Masken-Männer in dunkle Hauseingänge und nehmen ihre Larven kurz ab. Erst am Faschingsdienstag endet der Spuk gänzlich. „Leider verschwinden die Masken nicht mehr bis zum nächsten Mal in der Truhe, sondern werden immer häufiger zur Zierde an die Wand gehängt“, bedauert Georg Lichtenwald. Eigentlich eine Sünde, denn schließlich verrät der Träger dadurch sein zweites Gesicht. Der Larvenschnitzer aber wahrt dennoch eisern die Tradition des Geheimhaltens. Kein Sterbenswörtchen verrät er über die Identität seiner Kunden.

Das Faschingstreiben im Überblick:
Ein einmaliges Spektakel lockt am „unsinnigen Donnerstag“ – der Weiberfastnacht – am 11. Februar in die Maschkera-Metropole Mittenwald: Pünktlich nach dem Zwölfuhrläuten setzt sich hier ein Zug heidnischer Gestalten in Bewegung, angeführt von Schellenrührern, die sich große Ochsenschellen auf den Rücken geschnallt haben. Dem lärmenden Tross folgen Faschingsgestalten wie die Jacklschutzer, die den Winter in Form einer Strohpuppe bekämpfen, Teufel, Bär und die Pfannenzieher. In Murnau zieht die stampfende und raunzende Meute am Faschingssonntag, 14. Februar, ab 14 Uhr durch die Stadt.
Harmonisch geht es beim Gunkeln zu, das sich montags, dienstags und donnerstags in den Gasthäusern der Zugspitz-Region abspielt: Die jungen Mädchen sitzen an der Tanzfläche und lassen sich von den maskierten Männern zum Tanz auffordern, die lärmend ins Gasthaus strömen, um nach der „Damenwahl“ lautlos davonzuschleichen.
Einen besonderen Faschingsbrauch, die Bettelhochzeit, lockt am Faschingssonntag ab 10 Uhr nach Ohlstadt. Dort schlüpft traditionell ein Mann ins Brautkleid und eine Frau spielt den Gemahlen. Das ganze Dorf nimmt an der Trauungszeremonie und am Hochzeitszug teil.
In Oberammergau freuen sich Kinder am Faschingsdienstag, 16. Februar, auf das „Brezn-Angeln“, bei dem die Erwachsenen auf den Umzugswagen Brezen an Angeln in die Menge halten. Mit Mund und Händen schnappen sich die kleinen Narren die Köstlichkeiten. (Zugsitz Region)



» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen





Das könnte Sie auch interessieren:

Weitere Beiträge zum Thema: