Rasselnde Ketten und Teufelshörner: Fasching im Salzkammergut
Wer im Winter im Salzkammergut unterwegs ist, wundert sich schon bald über gar nichts mehr. Weder über zottelige Wesen mit Teufelshörnern, die mit rasselnden Ketten oder Reisigruten durch die Gegend streifen, noch über weiß gekleidete Lichtgestalten, die mit hell leuchtenden, klingelnden Kappen von Haus zu Haus ziehen. Die kalte Jahreszeit ist nun einmal die Zeit der Faschingsbräuche und in kaum einer anderen Region Österreichs werden die jahrhundertealten Traditionen so liebevoll kultiviert wie hier. Manche Gäste reisen sogar nur deshalb an, um bei dem fröhlichen Treiben mit dabei zu sein. Denn neben den vielen verschiedenen Faschingsgestalten, die von Region zu Region variieren, haben auch Spaß und Geselligkeit Hochsaison. So gut wie jeder Umzug endet schließlich im Wirtshaus, wo man in geselliger Runde – und bei so manch hochprozentiger Runde – gerne mal die Zeit vergisst.
Bei allem Vergnügen, den der Fasching mit sich bringt, haben die meisten Bräuche einen ernsten Hintergrund: In einer Zeit, als das Überleben vieler Menschen von einer guten Ernte abhing, versuchte man auf jede erdenkliche Art und Weise, den Winter zu vertreiben. So hatten die zotteligen Krampusse und die „Perchten“ ursprünglich nicht die Aufgabe, aufgeregt kreischenden Jugendlichen einen Adrenalinkick zu bescheren, sondern sollten die bösen Dämonen der Raunächte austreiben. Die weißen „Glöckler“ wiederum läuten mit ihren Glöcklerkappen den heiß ersehnten Frühling ein und sollen die Dunkelheit und Kälte durch Licht und Wärme besiegen. Der Rhythmus ihrer Schritte und das Klingen der Glocken, so besagt die bäuerliche Tradition, weckt das Getreide unter der Schneedecke auf und bringt es zum Wachsen. Der wahre Grund für die Beliebtheit dieses Brauchs ist heute wohl ein anderer: Wer einmal gesehen hat, wie stimmungsvoll der Lichtschein der phantasievoll geformten Glöcklerkappen die dunkle Winternacht erhellt, vergisst dieses Bild lange nicht mehr.
Weniger poetisch, aber dafür unüberhörbar sind die „Trommelweiber“, die in Wahrheit äußerst männlicher Natur sind: Die in Damennachthemden gehüllten Herren ziehen mit Trommeln und Trompeten durch den Ort. Dabei tragen sie Masken, damit sie von den vertriebenen Dämonen nicht wieder erkannt werden können. Möglicherweise will so mancher Teilnehmer aber auch von weitaus weltlicheren Wesen nicht erkannt werden, wenn er nach der Prozession mit den anderen „Trommelweibern“ durch die Wirtshäuser zieht. Schließlich lautet eine der inoffiziellen Gelöbnisformeln des Faschings: „Ich gelobe, an den heiligen drei Faschingstagen noch mehr Wirtshäuslichkeit an den Tag zu legen“. Paradoxes Detail am Rande: Angeblich liegt der Ursprung dieses Brauchs ausgerechnet in besagter Wirtshäuslichkeit. So sollen einige resolute Ehefrauen anno dazumal die Geduld verloren und ihre trinkfreudigen Gemahlen vom Wirtshaus „heimgetrommelt“ haben.
Das aufwändigste Faschingskostüm der gesamten Region ist wohl unbestritten das „Flinserlgewand“: Die aus Naturleinen gefertigten Kleider werden in Handarbeit mit bunten Tuchlappen und tausenden von Silberpailletten bestickt, den sogenannten „Flinserln“. Charakteristisch ist auch der aus Venedig bekannte Mohrenkopf: Die prunkvollen Gewänder sollen einst durch den Salzhandel aus Venedig nach Bad Aussee gekommen sein. Ein Flinserlkostüm anzufertigen nimmt etwa 400 bis 500 Arbeitsstunden in Anspruch. Was wohl erklärt, warum jedes der insgesamt 100 bis 120 existierenden Flinserlgewänder des Ausseer Landes so kostbar ist – und die Gäste sich Jahr für Jahr aufs Neue beeindruckt zeigen, wenn diese prachtvollen Faschingsgestalten durch den Ort ziehen.
Ein weiterer Höhepunkt des Faschings im Salzkammergut ist der Ebenseer Fetzenumzug am Faschingmontag: Der Name „Fetzen“ stammt noch aus einer Zeit, als arme Leute nur ein einziges Sonntagsgewand besaßen. Um dieses zu schonen, zogen sie oft lieber alte Kleidungsstücke an, die sie bei Bedarf durch Stoffflecken ausbesserten – wodurch immer buntere und fetzigere Mäntel und Jacken entstanden. Auch die Ebenseer „Fetzen“ wollen nicht erkannt werden und verkleiden sich daher mit kunstvoll geschnitzten Holzlarven. Sie verstellen sogar die Stimme und das aus gutem Grund: So können sie unerkannt und ausgelassen die ungeschminkte Wahrheit sagen und alles kritisieren, was sie während des Jahres berührt oder gestört hat. Unnötig zu erwähnen, dass auch das Fetzentreiben in den Gasthäusern und auf den Straßen bis in die Morgenstunden des Faschingsdienstags fortgesetzt wird. Wer die „fünfte Jahreszeit“ im Salzkammergut so richtig auskosten will, braucht eben auch ein bisschen Kondition. Und wird dafür mit vielen unvergesslichen Eindrücken und so manch neuer Bekanntschaft belohnt. (Salzkammergut TM)
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