Polen investiert Millarden in die Fußball-EM 2012
Am 7. Februar blicken Europas Fußball-Fans gespannt nach Warschau. Dann werden dort die Qualifikationsrunden für die nächste Europameisterschaft ausgelost, die vom 8. Juni bis 1. Juli 2012 in Polen und der Ukraine stattfinden wird. Während 51 Teams noch um die 14 freien Plätze für die Endrunde kämpfen müssen, laufen im Nachbarland Polen die Vorbereitungen für das sportliche Großereignis auf Hochtouren. Nicht nur vier Meisterschaftsstadien, auch Hunderte von neuen Hotels entstehen, neue Straßen und Eisenbahnstrecken werden gebaut und die Flughäfen erweitert. Viele Verbesserungen der Infrastruktur sind bereits jetzt für Reisende zu spüren.
In der ulica Świdnicka, einer der beliebtesten Einkaufsstraßen im Zentrum von Wrocław (Breslau), tickt eine besondere Uhr. Nach dem Zufallsprinzip spuckt der Automat jeden Tag zwei kleine rote Bälle mit dem Logo der EM 2012 aus – als begehrtes Souvenir für Passanten. Wenn der Automat leer ist, kann das Eröffnungsspiel beginnen. Wenige Kilometer von der Uhr entfernt wächst das neue Breslauer Fußballstadion im westlichen Stadtteil Maślice. Zwar kam es hier zu Verzögerungen beim Bau, doch die jetzt beauftragte deutsche Baufirma Max Bögl soll bis Ende 2011 die neue Arena für 43.000 Fans fertig stellen. Sie wird von außen wie ein riesengroßer Lampion wirken. Rechtzeitig vor der EM-Eröffnung soll daneben auch eine große Shopping-Mall mit 150 Geschäften, zahlreichen Restaurants und Freizeitmöglichkeiten fertig gestellt werden.
Ein neues Stadion entsteht derzeit auch in der Ostseemetropole Gdańsk (Danzig). Kürzlich hat der polnische Energieerzeuger PGE für die stolze Summe von fast neun Millionen Euro die Namensrechte an der bernsteinfarbenen Arena erworben, die Ende 2010 mit 41.000 Plätzen fertig sein soll. In der Hauptstadt Warszawa (Warschau), wo die Spiele im Sommer 2012 eröffnet werden, wächst das neue Nationalstadion für 55.000 Zuschauer. Die nahe der Weichsel gelegene Sportstätte soll Mitte 2011 fertig gestellt sein und mit ihrer geschwungenen rot-weißen Fassade an die wehende Fahne Polens erinnern. Im vierten polnischen Spielort Poznań (Posen) wird das bestehende Stadion bis Mitte 2010 erneuert und überdacht.
Um die erwarteten Besucher – darunter voraussichtlich mehr als eine halbe Million ausländischer Fans – sowie die zahlreichen Funktionäre, die Mannschaften und ihre Betreuer unterzubringen, entstehen nicht nur in den vier Spielorten zahlreiche neue Hotels. Zwischen Mitte 2007 und Mitte 2009 wurden rund 230 neue Hotels in ganz Polen eröffnet. Derzeit gibt es dort ca. 1750 Hotels mit 152.000 Betten, darunter fast 200 in der 4- und 5-Sterne-Kategorie. Auf mehr als 2.000 dürfte die Zahl der Hotels bis zum Anpfiff noch wachsen.
Allein 2009 wurden zwischen Oder und Weichsel rund 500 Millionen Euro in die Modernisierung und den Neubau von Hotels investiert. In Wrocław wurden mit dem „Monopol“ und „The Granary“ gleich zwei neue 5-Sterne-Hotels eröffnet, in Gdańsk erweiterten das neue 5-Sterne-Hotel Radisson Blu und das 4-Sterne-Hotel Qubus das Angebot für Reisende. Zu den großen Investitionen in diesen beiden Städten gehören unter anderem neue 5-Sterne-Häuser der Hotelkette Hilton, die ebenfalls rechtzeitig vor der EM fertig gestellt werden sollen. Nicht nur in den Spielorten, sondern auch in zahlreichen anderen Gemeinden wird investiert, denn dort benötigen die Turniermannschaften Trainingsstätten und Mannschaftshotels. Zu diesem Orten zählt die westmasurische Kleinstadt Ostróda (Osterode), wo bereits 2009 ein großes 4-Sterne-Hotel entstand und bis Ende 2010 die Trainingsstätten erneuert werden sollen.
Nicht nur wegen der Fußball-EM werden die Flughäfen in Polen ausgebaut. Viele waren durch ein rasantes Wachstum in den letzten Jahren ohnehin an die Grenzen ihrer Kapazität gestoßen. 2008 wurde mit 20,6 Millionen Passagieren ein neuer Höchststand erreicht. In Folge der weltweiten Krise kam es 2009 zu einem Rückgang um rund acht Prozent. Nachdem aber bereits in den letzten Monaten des Jahres eine neuerliche Belebung zu verzeichnen war, rechnen Analysten damit, dass 2010 wieder das Ergebnis von 2008 erreicht wird. Bis 2015 soll sich die Zahl der Fluggäste um mehr als 50 Prozent erhöhen.
Auf dem Flughafen in Warszawa-Okęcie soll bis 2012 die Kapazität von zehn auf zwölf Millionen Passagiere erweitert werden, außerdem wird der Flughafen eine direkte Bahnverbindung in die Innenstadt erhalten. In Kürze soll der Architektenwettbewerb für die Airport-City, ein großes Businesszentrum mit Hotels, Geschäften, Freizeiteinrichtungen und Büros entschieden werden. Marriott möchte dort bereits 2011 ein neues 5-Sterne-Hotel eröffnen. Zugleich fiel im vergangenen Herbst der Startschuss zum Bau eines neuen Flughafens für die Hauptstadt auf einem nahe gelegenen Militärgelände in Modlin. Hier sollen künftig Billigflieger starten und landen, denen es auf dem Warschauer Zentralflughafen zu teuer geworden ist. Für umgerechnet 90 Millionen Euro sollen in Modlin ein neues Terminal und die Rollbahnen entstehen. Der Flugbetrieb soll dort 2011 aufgenommen werden. Die Bahn vom Flughafen Okęcie ins Zentrum soll ab 2012 nach Modlin verlängert werden.
Insgesamt werden zwischen 2008 und 2012 mehr als eine Milliarde Euro in die Verbesserung des Flugverkehrs fließen. Davon profitieren auch die übrigen polnischen Flughäfen. So erhält Gdańsk ein zweites Terminal, wo zunächst drei, später fünf Millionen Passagiere abgefertigt werden können. Das bisherige Abfertigungsgebäude hat bei zuletzt gut zwei Millionen Passagieren seine Kapazitätsgrenze erreicht. In Kraków (Krakau) sollen durch den Ausbau des Terminals die Kapazitäten von bisher vier Millionen Passagieren verdoppelt werden. Ein neues Terminal ist in Katowice (Kattowitz) bis 2012 geplant, dort sollen statt bisher 3,6 künftig bis zu acht Millionen Fluggäste abgefertigt werden. Weitere Ausbauten sind auch in Poznań und Wrocław geplant. Außerdem sollen einige neue Flughäfen im Land entstehen. Am weitesten fortgeschritten sind die Planungen in Lublin im Südosten des Landes.
Milliardensummen fließen darüber hinaus in die Verbesserung des Schienen- und Straßennetzes. Allein von der EU kommen im Zeitraum 2007 bis 2013 rund elf Milliarden Euro für die Verbesserung der Straßen und weitere fünf Milliarden für den Ausbau des Schienennetzes. Nach der im Herbst 2009 erfolgten Lückenschließung auf der Autobahn A 4 zwischen Görlitz und Wrocław sollen rechtzeitig vor der WM auch die letzten Lücken auf der Autobahn A 2 zwischen Berlin und Warszawa geschlossen und Teile der Nord-Süd-Autobahn A 1 zwischen Gdańsk und Oberschlesien gebaut werden. Darüber hinaus entstehen vor der EM noch einige Hundert Kilometer Schnell- und Umgehungsstraßen. Modernisiert werden auch fast 1000 Kilometer Schiene. Dadurch sollen sich unter anderem die Fahrtzeiten auf den Strecken von Warschau nach Breslau und Danzig um jeweils zwei Stunden verkürzen.
Insgesamt schätzt man die öffentlichen Investitionen in Vorbereitung der EM auf rund 25 Milliarden Euro. Viele der damit getätigten Vorhaben waren ohnehin erforderlich, sie werden aufgrund der EM aber beschleunigt. Bei der Umsetzung legt man sehr viel Wert auf Transparenz. Das für die Vorbereitung der EM gegründete Büro PL.2012 listet auf seiner Website Hunderte Einzelprojekte im Rahmen des Masterplans auf. Anhand der Ampelfarben kann man erkennen, ob diese im Zeitplan liegen. Zwar ist es bei einigen Arbeiten zu Verzögerungen gekommen, doch für die meisten und wichtigsten Projekte steht die Ampel auf grün.
Informationen rund um die EM 2012 unter www.2012.org.pl. (Polnisches FVA)

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