Ulrich Wagner im Interview: Strom statt Benzin tanken
Unser Leben ist ganz wesentlich geprägt durch die Energie, die uns zur Verfügung steht. Heute schalten wir selbstverständlich elektrisches Licht an und füllen den Tank unseres Autos an der Tankstelle. Was wird sich bis 2050 für uns ändern?
Wagner (Vorstand für Energie und Verkehr im DLR): Nach meiner Vorstellung sollten wir bis 2050 die Energieverschwendung komplett abgeschafft haben. Das heißt, wir müssen noch sehr viel effizienter sein bei der Beleuchtung, beim Heizen oder Kühlen, insbesondere auch bei der Mobilität. Wir werden bis 2050 ganz bestimmt einen anderen Energie-Mix haben und unsere Gebäude überwiegend mit elektrischer Energie heizen und kühlen. Und wir werden mit elektrischer Energie mobil sein. Erneuerbare Energien werden der wesentliche Lieferant dafür sein. Für die Fälle wo große Speicherkapazitäten gefragt sind und wir elektrische Energie noch nicht einsetzen können, wird uns Wasserstoff im wahrsten Sinne des Wortes weiterhelfen und für Langstreckenfahrzeuge oder auch das Fliegen zur Verfügung stehen.
Das heißt, 2050 fahren wir nicht mehr an die Benzintankstelle sondern an die Wasserstoff-Tankstelle?
Wagner: An die Wasserstoff-Tankstelle und an die Stromtankstelle. Die Energie für Elektrofahrzeuge kann über zwei Arten zur Verfügung gestellt werden: Über die Batterie oder über die Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff funktioniert. Ich stelle mir vor, dass wir 2050 zumindest einen großen Anteil des Verkehrs, am Boden und in der Luft über Strom beziehungsweise Wasserstoff bewerkstelligen werden.
In Frank Schätzings Science-Fiction-Roman „Limit“ ist das Ölzeitalter über Nacht beendet, weil Helium 3, das auf dem Mond abgebaut werden kann, die fossilen Brennstoffe ersetzt. Können Sie sich vorstellen, dass fossile Brennstoffe eines Tages durch einen neuen Energieträger ähnlich schnell abgelöst werden?
Wagner: Nein, wir werden zwar neue Energieträger wie zum Beispiel Wasserstoff nutzen, aber dabei werden wir eine allmähliche Ablösung erleben. Das ist gewiss kein Vorgang, der sich wie in dem Roman in sehr kurzer Zeit vollzieht. In der Energietechnik sind wir es gewohnt, in Zeitspannen von Jahrzehnten zu denken. Der Grund ist: Wir haben eine sehr aufwändige Infrastruktur, sowohl auf der Erzeugungsseite als auch auf der Verbrauchsseite.
Und es wird auch nicht den generellen Energieträger geben, der alle Probleme löst. Eine Grundregel aus meiner Sicht ist die Diversifizierung unserer Energieträger-Strukturen. Heute wissen wir noch nicht, was die nachhaltigste Energieversorgung ist. Wer hier heute schon eine Lösung parat hat, der schließt jeglichen Wissenszuwachs, den wir durch die Forschung haben werden, aus.
Auch bei der Ölwirtschaft hat übrigens alles ganz klein und ganz langsam angefangen. Ganz zu Beginn, am Ende des 19. Jahrhunderts, wurde Öl für medizinische Zwecke in kleinen Fläschchen in Apotheken gehandelt. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis eine Tankstellen-Infrastruktur vorhanden war.
Es hat auch viele Jahre gedauert, bis das Gastankstellen-Netz in Europa so dicht war, dass Verbraucher ernsthaft über Gasautos nachdenken konnten. Was ist also schwieriger: Neue Technologien zu entwickeln oder sie einzuführen?
Wagner: Das muss Hand in Hand gehen, es kann nichts Schlimmeres passieren, als dass diese beiden Entwicklungsstränge entkoppelt laufen. Wenn Automobilhersteller und die Verbraucher nicht miteinander kommunizieren, kommt es zu Situation, dass Autos gebaut und angeboten werden, während die Infrastruktur noch nicht da ist. Oder umgekehrt, es soll eine Infrastruktur ausgebaut werden und der Markt für die Fahrzeuge ist gar nicht da. Wichtig ist, dass so etwas als Gesamtsystem geplant wird.
Aber lässt sich so etwas überhaupt planen?
Wagner: Es bleibt immer ein Rest von Planungsunsicherheit, aber mittels Energie- und Zukunftsforschung, die Szenarien entwickeln, lassen sich Risiken minimieren. Und manchmal erleben wir trotzdem unsere Überraschungen. Zum Beispiel wurden während der Energiekrise in den 1970er Jahren riesige Förderprogramme für die Wärmepumpe zur Gebäudeheizung ausgelobt, es wurden Zehntausende von Anlagen gebaut. Leider fehlte oft das nötige Know-how dafür, mit der Konsequenz, dass viele Anlagen nicht ordentlich funktionierten und den Ruf der Wärmepumpe 20 Jahre nachhaltig ruiniert haben. Mittlerweile ist das wieder ausgebügelt, Wärmepumpen funktionieren lange und zuverlässig.
Wenn Sie Daniel Düsentrieb wären, was würden Sie als Energieforscher sofort erfinden wollen?
Wagner: (lacht) Erstmal irgendwas, was auf Dauer funktioniert, nicht wie bei Daniel Düsentrieb, wo sich die Geräte schon bei der ersten Anwendung zerlegen. Ich würde am liebsten die kompakte, preiswerte Superbatterie erfinden, die den Energiegehalt eines Tanks hat, aber so klein ist, dass man sie in die Hosentasche stecken kann. Das wäre der Schlüssel für viele der noch ungelösten Energiefragen, gerade bei der Nutzung der Erneuerbaren Energien. (DLR)
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