Westfälischer Expressionismus in der Kunsthalle Bielefeld
1902, als Karl Ernst Osthaus in Hagen das Museum Folkwang gründet, um seine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hält die Moderne Einzug in Westfalen. Mit ihr entsteht der westfälische Expressionismus, der bis in die 1930er Jahre hinein zwischen ländlicher Tradition und modernem Stadtleben
seinen durchaus eigenen Stil etabliert und seinen wichtigen Beitrag zur deutschen Moderne leistet.
Während die gebürtigen Westfalen August Macke und Hermann Stenner ihren künstlerischen Wegen aus der Heimat ins Rheinland und nach Stuttgart folgen, bezieht Christian Rohlfs, aus Schleswig-Holstein kommend, auf Einladung von Osthaus in Hagen sein Atelier. Soest wird mit dem Künstlerkreis um Wilhelm Morgner und Eberhard Viegener zu einem Zentrum der westfälischen Moderne, das mit seinem mittelalterlichen Stadtbild viele Künstler anzieht.
In Bielefeld erweist sich die 1907 gegründete Kunstgewerbeschule, obwohl vorrangig der handwerklichen Ausbildung gewidmet, bald auch als ein Motor moderner Bestrebungen in Kunst und Gestaltung. Unter dem fortschrittlichen Lehrer Ludwig Godewols wird seine Malklasse zu einem Ort modernen Kunstschaffens, an dem viele der hiesigen Künstler ihre erste Ausbildung absolvieren, darunter Victor Tuxhorn, Ernst Sagewka, Heinz Lewerenz, Hermann Freudenau und auch der junge Peter August Böckstiegel, bevor er zum Studium
nach Dresden geht.
Zwischen der „Brücke“ und dem „Blauen Reiter“, zwischen den deutschen Kunstzentren Dresden, Berlin und München, in denen die Expressionisten von sich reden machen und das künstlerische Welt- und Selbstverständnis der Zeit revolutionieren, findet die Region vom Ruhrgebiet bis zum Teutoburger Wald
kaum die ihr gebührende Aufmerksamkeit, und Westfalens Moderne gerät nur selten in den Blick der Kunstwelt. Erst als die Nationalsozialisten 1933 die fortschrittlich orientierte „Vereinigung westfälischer Künstler und Kunstfreunde“ verbieten, wird das Erreichte im Rückblick deutlich.
Mit einer großen Ausstellung von rund 180 Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und druckgrafischen Werken, wobei die zahlreichen Leihgaben aus vielen Museen und privaten Sammlungen von Werken aus dem eigenen Bestand ergänzt werden, gibt die Kunsthalle Bielefeld einen grundlegenden Überblick zum Westfälischen Expressionismus. Katalog: Hirmer Verlag, 240 Seiten, 24,95 € (Museumspreis).
Die Ausstellung wird von der Stiftung der Sparkasse Bielefeld und dem P. A. Böckstiegel-Freundeskreis unterstützt.
Ausstellungsbegleitend werden ein Einführungsfilm, ein Audioguide sowie ein attraktives Vermittlungsprogramm angeboten. (Kunsthalle Bielefeld)
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