24. Januar 2011, Vorarlberg

Kunst im Schnee: Gormleys Eisenmänner vor weißer Kulisse

Das Kunsthaus Bregenz hat 2010 mit dem britischen Künstler Antony Gormley in den Bergen Vorarlbergs ein einzigartiges Projekt realisiert. „Horizon Field“ besteht aus 100 lebensgroßen Abgüssen eines menschlichen Körpers aus massivem Gusseisen, verteilt über ein Gebiet von 150 Quadratkilometern. Das Werk bildet eine horizontale Linie auf 2039 Metern über dem Meerespiegel – die einzelnen Skulpturen schauen in alle Richtungen, sind aber einander niemals zugewandt.

Das Feld der „Eisenmänner“ seit August 2010 bereits von zahlreichen Wanderern erkundet und erforscht, im Winter tun sich nun völlig neue Perspektiven auf. Während einige der Skulpturen in direkter Nähe von Seilbahn-Stationen oder an Skipisten platziert sind, kann man andere nur schwer oder überhaupt nicht erreichen. Das „Feld“ ist den wechselnden Bedingungen von Wind und Wetter ausgeliefert und präsentiert sich täglich in neuem Gewand. Einige der Figuren verschwinden im Schnee, viele bleiben aber aufgrund ihrer exponierten Positionen auch in der kalten Jahreszeit sichtbar und inspirieren so Skifahrer, Skitourengeher und Schneeschuhwanderer.

Auf Skiern durchs „Horizon Field“
Die komfortabelste Möglichkeit, ins „Horizon Field“ einzutreten, bietet sich den Skifahrern, da der Großteil der Figuren inmitten des riesigen Arlberger Skigebietes verteilt ist. In Warth trifft man direkt neben den Bergstationen des Saloberkopf-Jets, des Wartherhorn-Express oder der Karhorn-Bahn schon auf die ersten eisernen Skulpturen. In Stuben warten fünf unter dem Albonagrat. Auf der der Alpe Rauz verharren einige hundert Meter unter der Ulmer Hütte fünf stumme Eisenmänner regungslos im Schnee.

Die Route des Rennklassikers „Der Weiße Ring“ im Skigebiet Lech-Zürs ist eine perfekte Gelegenheit, ins „Feld“ einzutreten. Die berühmte Skirunde führt vom Rüfikopf über Zürs, das Madloch, Zug und die Balmalpe unterm Kriegerhorn vorbei wieder zurück nach Lech – vorbei an zahlreichen Figuren, die im Lecher Skigebiet positioniert wurden. Tiefergehende Erfahrungen und Begegnungen im „Horizon Field“ sind allerdings nur möglich, wenn man nicht im Renntempo unterwegs ist, sondern sich Zeit lässt. Hin und wieder am Pistenrand stehenbleiben, verschnaufen, den Blick schweifen lassen – die „Eisernen“ stehen meist ein wenig abseits im Tiefschnee, sind auf den ersten Blick nicht von einem Variantenfahrer zu unterscheiden. Auch vom Sessellift aus kann man gut Ausschau halten nach den schwarz-braunen Metall-Männern. Oft muss man kurz innehalten und ganz genau hinschauen, ob die Gestalt im Tiefschnee nun ein Skifahrer oder Snowboarder ist, der gerade die Aussicht genießt, oder eine Gormley-Skulptur. Sicher ist man sich erst, wenn der „Mann“ wirklich ein paar Minuten völlig regungslos an der Stelle verharrt – oder eben, wenn die „Statue“ plötzlich lebendig wird und mit flotten Schwüngen talwärts fährt. Wer es ganz genau wissen und auf Tuchfühlung mit den eisenharten Männern im Schnee gehen will, dem sei die Führung durch einen Skilehrer oder -führer ans Herz gelegt. Die Fachleute kennen ihr Gebiet „aus dem Effeff“ und ermöglichen den Gästen gefahrlose Begegnungen im „Horizon Field“.

Auf Tuchfühlung mit den Eisenmännern
In Lech bietet Toni Grissemann jeden Nachmittag eine spezielle Schneeschuhtour zum Thema an: Er führt seine Gäste nach der Auffahrt mit der Zuger Bergbahn von der Balmalpe (die von vier Skulpturen umringt ist) am Balmengrat entlang bis zur Kriegeralpe, wo man einen der dort leicht erreichbaren Eisenmänner auch „befühlen“ kann. Weiter geht es über die Grubenalpe nach Oberlech – die Tour dauert zweieinhalb Stunden und ist konditionell nicht sehr anspruchsvoll, da praktisch kein Aufstieg bewältigt werden muss. Heißer Tee, Fackeln für den Abstieg und aktuelle Infos durch den Führer sind inbegriffen, oft entwickelt sich ein reger Gedankenaustausch zwischen den Teilnehmern. Grissemann bietet auch individuelle Touren zu anderen Gormley-Skulpturen in der Lecher Bergwelt an, was aber immer von den Verhältnissen abhängig ist: „Die Figuren stehen im hochalpinen Raum, in teilweise exponierten Hängen. Da muss man die Lawinen und andere Gefahren beachten. Nicht jede Tour ist jederzeit möglich.“ Kontakt in Lech: Kontakt Anton Grissemann – Four Seasons Guiding, +43 (0) 664 4000 827, E-mail: toni@fsg-lech.at, Internet: www.fsg-lech.at

Der einsamste Eisenmann
Eine anspruchsvolle Tour zu einem „einzigartigen“ Ziel des „Horizon Field“ führt auf die Kanisfluh, wo der einsamste der 100 Eisenmänner zu Hause ist. Auf der Holenke, einem der vier Gipfel des gewaltigen Massivs, wartet eine einzelne Skulptur auf Besucher, die den Anstieg auf Schneeschuhen oder Tourenski auf sich nehmen. Die Schneeschuhtour beginnt in Mellau mit der Auffahrt per Kabinenseilbahn zur Roßstelle, von wo man erst ganz gemütlich durch eine herrliche Winterlandschaft Richtung Kanisalpe stapft. Weiter geht es Richtung Wurzach-Alpe, am Ende wartet dann noch der recht steile Südhang der Kanisfluh, ehe man am Gipfel der Holenke den einsamen Mann aus Eisen vorsichtig in die Arme schließen kann. Die Kanisfluh als Wahrzeichen des Bregenzerwalds ist die perfekte Kulisse, um sich auf die Ideen und Anregungen der Gormleyschen Installation einzulassen.

Der Künstler meinte dazu etwa: „Für mich gibt es keinen vorbestimmten Inhalt. Man wird sehen, wie die Menschen reagieren; wie die Arbeit auf den Schnee, die Sonne und den Wind reagiert, auf Veränderungen des Lichts und der Temperatur. Die Arbeiten sind eher kulturelle Gegenstände, die der Natur zurückgegeben werden.“ „Horizon Field spricht den Körper, die Wahrnehmung und Vorstellungskraft all jener an, die in dieses Beziehungsfeld eintreten.“

Skitourengeher können die Holenke auch von Au aus über das Ahornvorsäß und die Edelweisshütte erreichen – für Ausdauernde ist diese Variante ebenfalls mit Schneeschuhen möglich. Auf jeden Fall sollte man immer auch ein wenig Zeit am Gipfel, sei es für den atemberaubenden Blick über die Nordwand oder einen stillen Dialog mit dem Eisenmann, einplanen.

Der Aufstieg zum zweiten Touren-Ziel, den Eisenmännern bei Widderstein und Höferspitze, ist zwar nicht weit, aber sehr steil und kann nur bei absolut sicheren Schneeverhältnissen begangen werden. Hoch über dem Hochtannbergpass hat man dafür gleich sieben Skulpturen in näherem Umkreis und damit entsprechende Perspektivenwechsel zur Auswahl. Auch hier ist die professionelle Führung durch einen Berg- oder Skiführer ratsam, da der Zustieg teilweise sehr anspruchsvoll ist.

Zwei Möglichkeiten gibt es schließlich auch für Winterwanderer, auf gespurten Wegen zu den eisernen Gesellen zu gelangen. Am Diedamskopf in Schoppernau warten in unmittelbarer Nähe der Gipfelstation der 8er-Gondelbahn drei Skulpturen – zwei davon kann man gemütlich von der Terrasse des Gipfelrestaurants aus oder vom Panoramaweg, der zum Gipfel des Diedamskopfs führt, ausspähen. Wer noch näher ran will, muss die etwas knifflige Querung der Piste und ein wenig Stapfen im Tiefschnee auf sich nehmen – hier sind Schneeschuhe oder Stöcke hilfreich.

Von der Bergstation der Bergbahnen Oberlech aus wandert man auf einem gespurten Winterwanderweg in eineinhalb Stunden zur Kriegeralpe – nach weiteren 25 Minuten Aufstieg steht man dem ersten Eisenmann „Aug in Aug“ gegenüber. Danach bietet sich eine gemütliche Einkehr auf der Kriegeralpe, von der aus man weitere Skulpturen im Blickfeld hat, an, um bei einem warmen Getränk die Gedanken zum „Horizon Field“ schweifen zu lassen. (Vorarlberg Travel)



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