27. Februar 2012, Verkehr

Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit einzigartigem Eisenbahnprüflabor

Mal erlischt für Bruchteile von Sekunden das Licht, mal muss der Hochgeschwindigkeitszug an einer Grenze halten und die Reise dauert dadurch länger: Wer mit der Bahn durch Europa fährt, spürt die Folgen der mehr als 20 unterschiedlichen Zugleit- und -sicherungssysteme mitunter ganz konkret. Das einheitliche europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS soll hier helfen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) verfügt mit dem „RailSiTe“ über ein Prüflabor, das jetzt als einziges deutsches Testlabor für ETCS-Komponenten akkreditiert worden ist.

ETCS, kurz für „European Train Control System“, soll den europäischen Bahnverkehr harmonisieren und das Bahnfahren schneller und kostengünstiger machen. „ETCS wird derzeit nach und nach bei neuen und bestehenden Bahnstrecken eingeführt, um damit ein länderübergreifend einheitliches System zu etablieren“, erklärt Prof. Karsten Lemmer, Direktor des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik, zu dem das Prüflabor RailSiTe gehört. „Die Akkreditierung des RailSiTe durch die Deutsche Akkreditierungsstelle bestätigt unsere Neutralität und Kompetenz. Sie ist nicht nur eine besondere Qualitätsauszeichnung, sondern auch wichtig für die Anerkennung von Testergebnissen bei der Zulassung neuer bahntechnischer Komponenten durch die nationalen Zulassungsbehörden“, freut sich der Institutsleiter und fügt hinzu: „Das ist unser Beitrag zur Einführung von ETCS.“ Allein in Deutschland sollen bis 2020 rund 8000 Streckenkilometer mit ETCS ausgestattet werden, das Investitionsvolumen umfasst mehrere Milliarden Euro.

Bislang müssen Triebfahrzeuge im grenzüberschreitenden Bahnverkehr häufig mit mehreren Sicherungssystemen ausgerüstet sein. Ein Wechsel an der Grenze ist zeit- und kostenintensiv. Schon seit mehreren Jahren arbeiten Wissenschaft und Industrie mit ETCS an einem einheitlichen europäischen Leitsystem für den Eisenbahnverkehr. „ETCS soll einen barrierefreien Übergang zwischen den Ländern in Europa ermöglichen, ohne dass Züge mit bis zu sieben verschiedenen Systemen der Leit- und Sicherungstechnik ausgestattet sind und ohne dass an einer Grenze die Lokführer mit nationalen Betriebskenntnissen wechseln müssen“, verdeutlicht DLR-Wissenschaftler Lemmer den Nutzen.

Bordcomputer ist das Herzstück
Denn ein zuverlässiges Zugleit- und -sicherungssystem ist das Herzstück für einen sicheren und schnellen Bahnverkehr. Im Zug verkörpert ein komplexer Bordcomputer dieses Herzstück. Er leitet die Signale weiter, steuert die Kommunikation mit der Strecke und dem Stellwerk, also der Leitzentrale, gibt das Tempo vor und kennt den Fahrplan. Der Zugführer überwacht das System und kann natürlich jederzeit eingreifen.

Komplette Zugfahrten werden simuliert
„Wichtig ist, dass diese Geräte und ihre Komponenten in jeder Situation hundertprozentig funktionieren“, sagt DLR-Wissenschaftler Lemmer. Hier setzt die Arbeit im DLR-RailSiTe an: Das Eisenbahnprüflabor – bestehend aus einer Vielzahl von vernetzten Rechnern – simuliert komplette Zugfahrten mit realen Bordcomputern unterschiedlicher Hersteller. „Wir testen die Geräte primär darauf, ob sie den technischen Vorgaben von ETCS entsprechen“, sagt Lemmer. Ein Test kann dabei mehrere Wochen dauern, die DLR-Wissenschaftler untersuchen rund hundert Sequenzen mit jeweils mehreren hundert Testschritten. Ablauf und Ergebnisse werden genau protokolliert. Damit kann der Hersteller für die Zulassung eines neuen Geräts sein ETCS-konformes Funktionieren nachweisen. Dabei steht folgende Frage im Vordergrund: Funktioniert die neue Komponente in allen denkbaren Situationen und Ausnahmesituationen so, wie sie soll? „Dazu fahren in unserem Labor die Züge mit ETCS-Technik auf Strecken mit ETCS-Technik“, veranschaulicht Karsten Lemmer. Denn nur, wenn die Technik jederzeit reibungslos funktioniert, ist ein sicheres und schnelles Reisen möglich. (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt)



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