9. Mai 2012, Reisereportagen, Sylt

Die nördlichste Bushaltestelle Deutschlands steht auf Sylt

So kann’s gehen. Einst auf Ibiza abgebogen und auf Sylt gelandet ist er heute eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Nordseeinsel: Bambus-Klaus ist zurück an Deutschlands nördlichster Bushaltestelle.

Eine unebene Straße aus Betonplatten schüttelt die Insassen des Pkw kräftig durch; der Mond taucht die Landschaft im Norden Sylts in milchiges Licht; hinter dem Deich schimmert ein letzter roter Rest der untergehenden Sonne. Außer Heide und Düne kommt hier lange Zeit erst einmal nichts. Bis dieses Nichts schließlich abrupt hinter der nächsten Kurve endet: bunte Lampen, eine Bar in einem kleinen Häuschen, laute Musik und gleich ein paar Hundert Menschen auf einem Schotterparkplatz. Es ist Vollmond, dies ist die nördlichste Bushaltestelle Deutschlands. Bambus-Klaus steht auf dem Dach und schmettert seinen größten Hit: „Ich bin so gerne auf Sylt“.

Wenige Stunden zuvor ist dieser Ort die Ruhe selbst. Ein kleiner Kiosk kurz vor dem Ellenbogen; ein Wendepunkt für den Bus, der Badegäste zwischen den Inselorten und dem Strand transportiert. Hier kommt die Musik noch aus einem echten Kassettenrekorder, das Telefon an der Wand hat sogar eine Wählscheibe. „Ich habe das einmal eingerichtet und nie mehr geändert. Warum auch. Ist doch hübsch.“ Es ist 25 Jahre her, dass seine Bekannten, die hier einst einen Kiosk betrieben, nach Teneriffa aufbrachen, erzählt Klaus, während er draußen ein paar kleine Tischchen vor das Haltestellen-Zeichen rückt und Blumen verteilt. Das Ruhrgebiet schimmert deutlich aus seinem Tonfall. „Die suchten jemanden, der das übernimmt, und da habe ich gedacht: Mache ich das doch so, wie man das auf Ibiza häufig sieht – eine Kneipe an der Bushaltestelle.“ Der Name war schnell gefunden: „Bar am Meer, Bushaltestelle“, kurz: „Bam-Bus“. Der Name ist nicht nur Programm, sondern ersetzt mittlerweile sogar Klaus‘ Familiennamen.

Nordisch-schlicht trifft es nicht wirklich, wenn es um das Interieur des einstigen Wartehäuschens am Weststrand geht. „Mediterran“ könnte passen oder auch „retro“. Die Wände gelb gestrichen, vollgepackt mit Bildchen, Werbung für spanischen Brandy, auf dem Tresen Post- und Autogrammkarten von ehemaligen Gästen wie Jürgen Drews und Lilo Wanders; dazwischen eine bunte 70er-Jahre-Lampe, ein grün beleuchteter Plastik-Kaktus und ein CD-Ständer mit der aktuellen – und einzigen – Platte, die Bambus-Klaus jemals aufgenommen hat. „Wenn ich hier früher einen DJ in der Bar hatte, dann bin ich dem immer dazwischen gesprungen, habe mir das Mikro genommen und einfach die Lieder umgetextet. Karaoke gab’s ja damals noch nicht. Und das ist bei den Gästen gut angekommen.“

Irgendwann spukte ihm der Text im Kopf herum, den er vor einigen Jahren dann sogar als Single herausbrachte: „Ich bin so gerne auf Sylt“. Es folgte ein ganzes Album – ein Traum aus deutschem Schlager und Partymusik. Auch seine musikalischen Wurzeln liegen dabei eindeutig im Ruhrgebiet. Als Jugendlicher in Essen hat er seine persönlichen Helden in der Grugahalle gesehen – heute hängen sie an seiner Wand: Abba, die Bee Gees, aber vor allem: Gitte Haenning und Wencke Myhre. In ihre Fußstapfen will Klaus aber nicht treten. „Ach bloß nicht“, kommt spontan die abwinkende Handbewegung. „Das mit der Platte war eine einmalige Sache. Da kommt keine zweite.“ Einen Ehrenplatz an der Wand hat auch Sängerin und Moderatorin Ina Müller. „Das ist eine Nette. Die hat mal bei mir gearbeitet.“

Damals, in den Anfängen auf Sylt. Eigentlich hatte ihn sein Weg nach Spanien geführt. „Im Urlaub auf Ibiza habe ich zu der Zeit ein paar Leute kennengelernt, die kamen alle von Sylt und arbeiteten in der Vogelkoje in Kampen.“ Klaus, gelernter Zahntechniker, war ohnehin gerade auf der Suche nach einem neuen Job. „Die haben gesagt: Komm doch mit, bis du was gefunden hast.“ Wenige Wochen später arbeitete Klaus ebenfalls in der Vogelkoje. „Da war ich sowas wie ein Oberkellner.“

Einmal auf Ibiza in Richtung Nordfriesland abgebogen – heute auf Sylt inselweit bekannt. Die Bam-Bus-Bar ist immer gut besucht, und Raum ist in der kleinsten Hütte – wenn auch gerade mal für drei oder vier Kunden. Hektik kommt bei Klaus nie auf. „Gebense doch bitte mal den Kaffee nach hinten durch an den Herrn in der roten Jacke! Dankeee!“ Ein kleines Mädchen legt Münzen auf den Tisch. „Erbsensuppe? Um Gottes Willen, da muss der Onkel ja wieder in die Küche.“ Der Weg in die Küche, er beträgt gerade mal zwei Schritte – und alles, was Klaus sagt, das sagt er mit einem Augenzwinkern. Die Gäste wissen das zu schätzen. Den ganzen Tag über ist genug zu tun, und auch Klaus hat seinen Spaß. „Die Leute sind im Urlaub. Die erzählen dem Barmann nicht von ihren Sorgen. Die haben gute Laune und plaudern über das Wetter.“ Die Öffnungszeiten der Bar am Meer sind klar: so lange Menschen am Strand sind und so lange der Bus fährt. Spätestens um 20 Uhr ist Feierabend.

Das war vor wenigen Wochen noch anders. Doch da standen die Zeichen eher auf Skifahren als auf Strandurlaub. Denn den Winter verbringt Klaus nicht auf Sylt, sondern im Salzburger Land. In Maria Alm Hinterthal ist er stolzer Besitzer einer Après-Ski-Hütte. „Das war die gleiche Geschichte wie mit Sylt“, erinnert er sich. „Es war Winter, ich war auf dem Weg mit dem Wohnmobil nach Spanien, habe in Österreich Leute kennengelernt und bin da einfach hängen geblieben. Und jetzt bin ich da jeden Winter.“ Bambus-Klaus und Spanien – das sollte wohl einfach nicht sein.

Zwischen Mai und Oktober steht das Wohnmobil dann wieder auf Sylt neben der „Bam-Bus“. Klaus ist mitten drin in den Vorbereitungen auf das nächste Großereignis. Denn alle vier Woche pilgert die halbe Insel in Richtung Norden – und das seit mittlerweile 25 Jahren. Angezogen vom Vollmond und angezogen von Klaus. „Früher haben wir Termine festgelegt für die Partys. Dann habe ich mich geärgert, wenn das Wetter schlecht war. Heute mache ich das einfach bei Vollmond. Da bin ich dann nicht schuld. Bei Vollmond haben wir außerdem meistens gutes Wetter und die Leute sind gut drauf.“

Aus der kleinen Bar am Meer ist eine Partyzone geworden: vergrößerter Getränkeausschank, ein Imbisswagen, die Musik vom DJ deckt die Spannbreite zwischen Andrea Berg und Culcha Candela ab, während ein Beamer die Gypsy Kings an die Wand des Wohnmobils projiziert. Die Stimmung ist entspannt. Doch wenn der Meister seiner Bar aufs Dach steigt, flankiert von zwei jungen Mädchen, und über die Inselorte, über Surfer und Nackedeis am Strand singt, dann bilden sich spontan die ersten Polonaisen. Eines ist klar: Die Menschen kommen nicht wegen der umwerfenden Stimme von Bambus-Klaus, sondern wegen seiner Qualitäten als Entertainer. Tagsüber im, bei Vollmond auf dem Kiosk: „Ich bin so gerne auf Sylt / weil es mir dort so gut gefällt / und laufe manchmal am Strand / von List bis nach Westerland / in dem geilen weißen Sand.“ www.bam-bus.de.

Termine der Vollmond-Partys: 4. Juni, 3. Juli, 2. August, 31. August, 30. September



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