2. Juli 2012, Osnabrücker Land

Alte Schmugglerpfade: Wanderungen im „Dreiländereck“

Burgen und Schlösser, Spargel und Schinken, Natur und zwölf historische Städte und Dörfer – die „Grenzgängerroute Teuto-Ems“ verbindet als 152 Kilometer langer Radrundweg das Beste, was Osnabrücker Land, Ostwestfalen-Lippe und Münsterland zu bieten haben. Mehr als ein Dutzend Mal überqueren Radler auf der erlebnisreichen Tour historische Grenzen und folgen alten Schmugglerpfaden und Handelswegen durch die abwechslungsreiche Kulturlandschaft.

Inmitten von Spargelfeldern, duftenden Erdbeerbeeten und Äckern liegt das alte Dreiländereck, an dem sich heute nur noch zwei Länder treffen: Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Historische Grenzsteine und eine Info-Tafel markieren den Punkt, an dem alle Grenzen zusammenlaufen, deren Geschichten der Radrundweg erlebbar macht. Die Grafschaft Ravensberg sowie die Fürstbistümer Osnabrück und Münster stießen hier aneinander, später die Königreiche Preußen und Hannover. Wilde Wälder wucherten im Grenzland zwischen Glandorf, Füchtorf, Bad Laer und Versmold und es schossen Legenden ins Kraut, etwa die von den „Unkenmännern“. Über die mystischen Missetäter weiß Ludwig Wahlmeyer einiges zu erzählen, denn der pensionierte Lehrer und passionierte Heimatforscher wuchs in Sichtweite des Dreiländerecks auf. Die „Unkenmänner“ kennt er aus den Geschichten seines Vaters. Geschichten, mit denen man Kinder erschreckt, damit sie nicht alleine im Wald herumlaufen. Geschichten aber auch, die einen wahren Kern haben, „obschon im Laufe der Zeit natürlich einiges dazu gedichtet wurde“, so Wahlmeyer. Wahr ist, dass „hier bis ins 20. Jahrhundert hinein Randexistenzen in verborgenen Hütten hausten und auf zwielichtige Art ihr Leben fristeten.“

Ehemalige Söldner des Dreißigjährigen Krieges sollen sie gewesen sein, so geht die Legende. Durch Verkündung des Westfälischen Friedens im nahen Osnabrück standen sie plötzlich arbeitslos und fern der Heimat da. Raubten, schlugen harmlose Reisende nieder und sich damit durchs Leben. Ob’s stimmt? „Wo sie herkamen, weiß keiner so genau. Aber dass die Unkenmänner gestohlen haben, ist sicher“, sagt der Heimatforscher. „Und sie schmuggelten Salz.“ Dabei waren sie allerdings in guter Gesellschaft: Sich um die hohen Zölle zu drücken, war beinahe eine Art von Volkssport, den auch ansonsten ehrbare Bauern betrieben. „Schließlich waren sie darauf angewiesen, Salz in großen Mengen zu bekommen, um Vorräte haltbar zu machen.“

Schinken zum Beispiel, für den Versmold seit jeher berühmt ist. Als „Wurstküche Westfalens“ gilt die Stadt, die wegen ihrer Nähe zur Grenze oft umkämpft war. Zum Schutz errichteten die Bürger ihr Gotteshaus als „Wehrkirche“, jedoch verlor sie durch spätgotische Anbauten ihr trutziges Wesen. Dem Nachbarort Bockhorst sieht man die bewegte Vergangenheit deutlicher an. Hier bilden die Fachwerkhäuser rund um das romanische Gotteshaus eine „Kirchhofsburg“. Zwar ohne Wassergraben oder Zugbrücke stellt der fast lückenlose Häuser-Kreis dennoch eine schwer einnehmbare Festung dar.

Eine „richtige“ Burg erobern Speichenritter wenig später: Mehr als 900 Jahre alt ist der Stammsitz derer von Ravensberg – und man sieht ihm sein Alter deutlich an. Denn vor rund 350 Jahren machten Truppen des Fürstbischofs von Münster das Gemäuer zur Ruine, die jedoch mit ihrem mächtigen Burgfried auf einem Höhenzug des Teutoburger Waldes eine weithin sichtbare Landmarke blieb. Der kurze Aufstieg lohnt, denn am Fuße des Turms bietet ein Biergarten Gelegenheit für eine Einkehr mit weitem Rückblick auf die zurückgelegte Strecke. Wer sich dafür eine süße Belohnung gönnen möchte: Borgholzhausen zu Füßen der Burg ist eine traditionsreiche Lebkuchenstadt. Neben den mit Zuckerguss beschrifteten Kirmesherzen gibt es hier rund ums Jahr auch weihnachtliches Naschwerk. Die Hauptzutaten der Lebkuchen-Bäckerei, Honig und Haselnüsse, lieferte der Teutoburger Wald, die unverzichtbaren Aromen Händler aus dem nahen Dissen, heute Heimat des europaweit größten Anbieters von Gewürzen.

Aber nochmal zurück zum Salz, denn als nächstes liegt Bad Rothenfelde am Weg. Seit 1724 wird hier die Sole aus der Tiefe so lange gesiedet, bis das „weiße Gold“ trocken und feinkörnig ist. Dieser Tage nur noch zweimal wöchentlich im Museum, „aber bis 1969 habe ich als Reparaturschlosser in der letzten Saline gearbeitet“, erzählt Friedhelm Fisse. Nach deren Schließung wurde er Bademeister und ging schließlich vor 13 Jahren als Betriebsleiter der Bäder in Rente. Nicht in den „Ruhestand“, denn als Gästeführer hat er gut zu tun. Er zeigt, was ansonsten verborgen ist: Die Mechanik und das Innenleben eines der größten Gradierwerke Westeuropas etwa, das ursprünglich dazu gebaut wurde, die Siedezeit der Sole zu verringern: Je länger das mineralhaltige Wasser über die 13 Meter hoch aufgeschichteten Schwarzdornzweige rieselt, desto höher wird durch Verdunstung der Salzgehalt. Das spart eine Menge Kohle, denn diese wurde zum Salzsieden verwendet. Obwohl Salz sich andernorts in Bergwerken heute billiger gewinnen lässt, blieben dennoch die Gradierwerke erhalten. Denn bereits vor 200 Jahren bemerkte man die heilkräftige Wirkung der aerosolhaltigen Luft, und Rothenfelde entwickelte sich mehr und mehr zum Heilbad.

Die Nachbarn in Bad Laer bauten unlängst ein neues Gradierwerk, das von vornherein ausschließlich der Gesundheitsförderung diente: Vier Schwarzdornwände bilden einen Pavillon, in dem sich die heilkräftige Luft konzentriert. Ein wunderbar kühler und dämmeriger Ort, an dem auch Radfahrer nach langer Tour zur Ruhe kommen.

Wie reich den Landesherrn das Salz machte, lässt sich in Bad Iburg besichtigen: Über der Stadt thront das prächtige Schloss der Fürstbischöfe von Osnabrück. Das Gegenstück im Bistum Münster stand in der Residenzstadt Sassenberg. Hier blieben lediglich Reste der Grundmauern erhalten. Einen besseren Eindruck vom Wohlstand und der einstigen Macht vermittelt Warendorf. Heute als Pferde-Stadt weltbekannt, war sie seit dem Mittelalter vor allem eine reiche Handelsmetropole. Die gut erhaltenen Bürgerhäuser rund um den Markt zeigen es deutlich. Auch die Grenzfestungen des Bistums, etwa Wasserschloss Loburg in Ostbevern oder die ungewöhnliche Doppelschlossanlage Harkotten in Füchtorf zeugen von diesem Reichtum. Letzteres bietet im neuen Café „Wappensaal“ eine gute Gelegenheit zur Rast mit Blick aufs Herrenhaus und in den Landschaftspark englischen Stils.

Wer dabei ins Grübeln kommt, worin noch gleich der Unterschied besteht zwischen englischem und französischem Garten, macht einen kurzen Abstecher nach Lienen-Kattenvenne ins „Heckentheater“ von Rolf Kötterheinrich und Erhard Piech. Vor 25 Jahren kauften sie einen Kotten inklusive vier Hektar Grund. Und setzten Ideen um, die „wir auf unseren Gartenreisen gesammelt haben“. So entstanden unter anderem der streng formale, französische Garten mit gestutztem Buchs, sowie der naturnahe englische Park. Zwischen Hecken und Gehölzen laden die beiden jeden Sommer zu weithin beliebten Theater-, Musik- und Kleinkunstveranstaltungen.

Spargel wächst im Heckentheater nicht – den zu kosten, wird es nun aber höchste Zeit, denn das edle Gemüse gedeiht zwischen Teuto und Ems in besonders hoher Qualität. „Die sandigen Böden hier sind zwar zu mager für andere Feldfrüchte, bieten dem Spargel jedoch perfekte Bedingungen“, sagt Angela Buddenkotte. Genau wie auf vielen anderen Höfen der Umgebung entwickelte sich bei ihr der Spargel vom Neben- zum Haupterwerb. Direkt ab Hof verkauft sie in Füchtorf ihr Bio-Gemüse und tischt gleich nebenan im Hof-Restaurant auf: würzig-salzigen Schinken zum frischen Spargel und zum Nachtisch Erdbeerkuchen – alles Gute von diesseits und jenseits der Grenzen. (Tourismusverband Osnabrücker Land e. V)



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