16. Januar 2013, Breslau (Wrocław)

100. Geburtstag der Hala Stulecia

Bei ihrem Bau sprachen die Spötter despektierlich von einer Hutschachtel, Skeptiker fürchteten, der gewaltige Rundbau könne einfach in sich zusammenfallen. Doch die in einer Rekordzeit von nur zwei Jahren gebaute Hala Stulecia (Jahrhunderthalle) erfreut sich bis heute einer stabilen Konstitution. Als Meilenstein des modernen Bauens hat sie es sogar auf die Welterbeliste der UNESCO geschafft. In der niederschlesischen Metropole Wrocław (Breslau) feiert man 2013 den 100. Geburtstag des herausragenden Bauwerks.

Die Breslauer Jahrhunderthalle war am 20. Mai 1913 offiziell eröffnet worden. Mit ihrer 65 Meter breiten Kuppel galt sie zum damaligen Zeitpunkt als das größte freitragende Bauwerk der Welt. Bis heute wird der gewaltige Rundbau für Messen, Konzerte sowie große Sportveranstaltungen genutzt. Das Gebäude am Rande des Park Szczytnicki (Scheitniger Park) wurde im Jahre 2006 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. In der Begründung wurde das Bauwerk als „Pionierarbeit der modernen Technik und Architektur“ bezeichnet. Die Jahrhunderthalle sei ein „kreatives und innovatives Beispiel für die Entwicklung der Bautechnik in großen Stahlbetonkonstruktionen.“

Die Jahrhunderthalle war Teil eines großen Ausstellungsgeländes, das zum 100. Jahrestag des Beginns der preußischen Befreiungskriege im Jahre 1913 in Betrieb genommen werden sollte. Mit der Jahrhundertausstellung sollte an die Befreiungskriege gegen Napoleon I. erinnert werden, die 1813 mit dem in Breslau verfassten Aufruf des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. „An mein Volk” ihren Anfang nahmen. Max Berg, der damalige Breslauer Chefarchitekt, sah die Chance, damit seine Vision des Neuen Bauens zu verwirklichen. Er wollte Breslau in eine echte Metropole verwandeln. Seine 1911 vorgestellten Pläne stießen bei einem Teil des Stadtrats auf Widerspruch. Manche fürchteten, das gigantische Gebäude könne einfach in sich zusammenfallen. Doch keine zwei Jahre später war die Halle bereits fertig.

Insgesamt 32 geschwungene Binder halten bis heute die 42 Meter hohe Kuppel. Durch die terrassenförmig angeordneten Fensterreihen fällt das Licht in die Halle. Deren gesamter Durchmesser beträgt 130 Meter. Die Akustik ist hervorragend. Rund um den großen Innenraum führt ein breiter Gang, von dem zahlreiche Eingänge abzweigen. Die Außenfassade aus rohem Beton weckt Assoziationen an frühe babylonische oder altägyptische Monumentalbauten, aber auch an das Pantheon oder die Hagia Sophia. Rund drei Jahrzehnte nach ihrer Eröffnung hatte Max Berg die Jahrhunderthalle in ihrer Bedeutung mit dem gotischen Rathaus von Breslau verglichen. Bis heute gilt der Bau als technische Meisterleistung. Er ist eines der ersten und bedeutendsten Beispiele der modernen Stahlbetonbauten des 20. Jahrhunderts. Mit seinen klaren Formen markiert er den Abschied vom Historismus und die Wende zum funktionalen Bauen.

Der berühmte Architekt Professor Hans Poelzig, damals Direktor der Breslauer Kunstgewerbeschule, hatte wesentlichen Anteil an dem gesamten Ensemble. Er entwarf den sogenannten viertürmigen Pavillon und die halbkreisförmige Pergola um den vor der Halle gelegenen Teich. Im Gegensatz zu den klaren Formen der Jahrhunderthalle wirken seine Arbeiten noch der klassizistischen Tradition verhaftet. Aber auch er experimentierte mit neuen Materialien und schuf mit dem Einsatz von Sichtbeton eine Brücke zur Neuzeit.

Vom 20. Mai bis 26. Oktober 1913 fand die Ausstellung rund um die Jahrhunderthalle statt. Im Rahmen der Eröffnungsfeiern wurde am 31. Mai 1913 Gerhart Hauptmanns „Festspiel in deutschen Reimen“ von Max Reinhardt inszeniert. Auch in der Folgezeit war die Jahrhunderthalle Schauplatz spektakulärer Ausstellungen. 1920 wurde eine vielbeachtete Schau moderner Kunst gezeigt, 1929 bezog man das Gelände in die große Werkbund-Ausstellung „Wohnung und Werkraum“ ein, die modernes Bauen in der Oderstadt präsentierte.

Im Zweiten Weltkrieg wurden einige Nebengebäude zerstört, die Halle selbst nahm nur wenig Schaden. Stark beschädigt war allerdings die damals größte Orgel der Welt, die von der Firma Sauer eigens für die Jahrhunderthalle gebaut worden war. Teile davon befinden sich heute im Breslauer Dom. Mit einer Ausstellung über die „wiedergewonnenen Westgebiete“ und einem Weltkongress der Intellektuellen für den Frieden wurde die Veranstaltungshalle 1948 erneut in Betrieb genommen. Zu den Teilnehmern des Kongresses gehörte Pablo Picasso, der während seines Aufenthalts in Breslau seine berühmte Friedenstaube malte. Anlässlich des Friedenskongresses wurde vor dem Eingang eine von drei schweren Schrauben gehaltene, 86 Meter hohe stählerne Nadel (Iglica) von Prof. Stanisław Hempel, errichtet.

Bis heute bietet die Jahrhunderthalle die Kulisse für zahlreiche große Veranstaltungen. Mehr als 10.000 Menschen finden darin Platz. Die Halle wird für Messen, Ausstellungen und Tagungen genutzt. Aber auch große Sportveranstaltungen, Konzerte, Partys und Mega-Inszenierungen der Breslauer Oper finden darin statt.

Rechtzeitig vor dem 100-jährigen Jubiläum im Jahre 2013 wurde das gesamte Gebäude umfangreich saniert und modernisiert. Ende 2011 wurde das Ensemble zudem um einen modernen Anbau, das Wrocławskie Centrum Kongresowe (Breslauer Kongresszentrum) erweitert. Bis zu 3.000 Besucher finden in diesem Konferenzzentrum Platz, zu dem auch ein großes Restaurant gehört. Erneuert wurde bereits 2009 der von einer Pagode umgebene Teich. Dabei entstand die Breslauer Fontäne (Wrocławska Fontanna) als moderne Klang-Licht-Wasser-Installation. Bei den Wasserspielen tanzen die Fontänen aus 300 Düsen zum Klang der Musik. Die nächtlichen Vorführungen werden durch eine Lichtshow untermalt.

Die Jahrhunderthalle ist eins von mehreren bedeutenden Bauwerken, die Wrocław zu einem Mekka der Moderne machen. In direkter Nachbarschaft waren 1929 anlässlich der Werkbund-Ausstellung „Wohnung und Werkraum“ mehrere Wohngebäude im funktionalistischen Baustil erbaut worden. Dazu gehörte auch das Ledigenheim, ein Frühwerk des berühmten Architekten Hans Scharoun. Sein expressionistischer Baukörper erinnert an einen Schiffsrumpf. Das Gebäude wird heute als Seminarhotel genutzt. Zu den bedeutendsten Bauwerken dieser Zeit in der Innenstadt gehören die beiden Kaufhäuser von Erich Mendelsohn und Hermann Dernburg, die bis heute diesem Zweck dienen.

Informationen:
Informationen rund um die Jahrhunderthalle unter www.halastulecia.pl und zur neu entstandenen Fontäne unter www.wroclawskafontanna.pl Allgemeine Informationen rund um Wrocław unter www.wroclaw.pl Allgemeine Auskünfte über Reisen nach Polen beim Polnischen Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel (FVA Polen)



» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen





Das könnte Sie auch interessieren:

Weitere Beiträge zum Thema: