9. November 2014, Afrika

Auf einer Slackline entlang der Viktoriafälle

Fast auf den Tag genau 159 Jahre nachdem der schottische Missionar und Afrikareisende David Livingstone als erster Europäer die weltberühmten Victoria Falls mit eigenen Augen sah, gelingt es zwei europäischen Slackline-Profis die 100 Meter tiefe Schlucht des breitesten Wasserfalls der Erde erstmals auf einer Highline zu überqueren.

Zwei Jahre lang arbeiteten der 26-jährige Student Lukas Irmler aus Freising und der 34-jährige Wissenschaftsjournalist und Krimiautor Reinhard Kleindl aus Graz an der Verwirklichung ihres Traums, vor der einmaligen Kulisse des UNESCO Weltnaturerbes in fast 100 Metern Höhe auf einem gerade mal zweieinhalb Zentimeter breiten Band zu balancieren.

„Wir sind immer auf der Suche nach tollen Locations, an denen wir unsere Highlines spannen können“, sagt Reinhard Kleindl. „Lukas und ich haben uns in diesem Zusammenhang vor rund zwei Jahren eine Menge Wasserfälle angeschaut. Die Bilder der gewaltigen Victoriafälle haben uns auf Anhieb begeistert, doch wir waren der Meinung, dies sei eine Nummer zu groß für uns. Allerdings sind wir die Idee nicht mehr losgeworden.“

Erste Recherchen ergaben, dass die Schlucht zirka 100 Meter breit ist. „Vor zwei Jahren lag eine Hundert-Meter-Highline knapp unter Weltrekord“, erinnert sich Lukas Irmler. „Das war auch für uns eine Länge, die wir damals noch nicht sicher beherrschten und eine große Herausforderung. Wir mussten uns also sportlich weiterentwickeln.“

Bild: Jacques Marais

Als weitaus größere Herausforderung entpuppte sich jedoch die Planung. Es dauerte mehrere Monate die Behörden vor Ort von dem Projekt zu überzeugen und alle notwendigen Genehmigungen zu erhalten. Das Timing musste sich vor allem am Wasserstand des Sambesi orientieren. „Wenn der Wasserstand zu hoch ist, steigt die Gischt bis zu 300 Meter auf und man kann gar nichts machen“, erklärt Kleindl. „Da die Wasserstände jedes Jahr variieren, war es schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen, an dem es überhaupt möglich ist, hier eine Highline zu spannen. Auch die Inseln auf der Wasserfallseite sind nur wenige Wochen im Jahr per Boot erreichbar, so wussten wir bis zum Schluss nicht, wie wir unsere Line auf der anderen Seite befestigen können. Zum Glück haben wir dort einen stabilen Baum bei einer Distanz von 91 Metern gefunden, der uns ermöglichte, eine cleane Highline aufzubauen. Wir hätten zwar die Genehmigung gehabt, temporäre Bohrhaken zu setzen, aber in unserem Sport, wie in anderen Bergsportarten, möchte man gerne möglichst wenig Spuren hinterlassen, vor allem wenn man – wie bei diesem Projekt – das Vertrauen der Zimbabwe Parks und Wildlife Management Authority genießt.“

Ein Hindernis galt es dennoch zu überwinden: die Überbrückung der 100 Meter tiefen und 1,7 Kilometer breiten Schlucht. Kleindl und Irmler planten zunächst eine Angelschnur mit einer Drone über die Schlucht zu transportieren um die Verbindung herzustellen, doch als sie hörten, wie viele Dronen bereits bei Dreharbeiten an den Victoria Falls versenkt worden waren, schwenkten sie um auf Plan B: ein an einer Angelschnur befestigtes Bleigewicht mit einer Baumpflegeschleuer über die Schlucht zu schießen. Dies klappte im dritten Versuch.

Per Münzwurf losten die beiden Freunde aus, wer nach der langen Vorbereitungszeit als erster seinen Fuß auf die Highline setzen durfte. Reini Kleindl hatte Glück und kam zuerst in den Genuss, die extremen Bedingungen auszutesten. „Aus den Bergen habe ich Erfahrung mit Schnee, Regen oder Wind, aber dieser Sprühnebel, der von unten hochkommt, die Line mit Wasser durchtränkt, sie schwer macht und einem die Sicht nimmt, ist schon eine besondere Herausforderung“ so Kleindl.

Eine Highline gilt offiziell als begangen, sobald sie ohne Sturz überquert wurde. Dies gelang sowohl Lukas Irmler als auch Reinhard Kleindl gleich am ersten Tag nach wenigen Versuchen. „Man unterschätzt schon wie viel Druck man sich selber macht, die Begehung auch zu schaffen, vor allem bei so einer langen Line und so schwierig einzuschätzenden Bedingungen, die sich tagsüber ständig verändern. So war es für uns nicht ganz leicht, selbstbewusst an die Sache ranzugehen, obwohl wir drei Tage Zeit hatten“, sagt Irmler. „Umso überraschender und schöner war es für uns, die Line gleich am ersten Tag befreien zu können. Somit konnten wir uns die Zeit nehmen, zu spielen und uns einfach mal in 100 Metern Höhe hängen zu lassen.“ Die beiden Slackliner hatten dabei nicht nur einen einmaligen Blick auf die Wasserfälle, sie sahen in der Dunstwolke unter der Line auch einen kreisrunden Regenbogen im Sprühnebel. „Wir haben über zwei Jahre darauf gewartet, hierher zu kommen. Das ist eine lange Zeit, in der sich herauskristallisiert hat, wie gut das Projekt wirklich ist. Wenn’s nicht das Beste überhaupt wäre, hätte man nicht zwei Jahre lang darauf gewartet, diesen Moment zu erleben und diese Chance zu bekommen. Wir werden diese Highline, die wir „Nyami Nyami“ nach dem Zambezi River God genannt haben, und die Erlebnisse hier in Zimbabwe sicher nie vergessen.“

Hier noch ein spektakuläres Video von der Aktion:

(Planat Talk)



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