2. Mai 2009, Oregon

Wandern im wilden Oregon

Ein deutsches Wort ist ab Frühjahr in ganz Oregon zu hören: „Wanderlust“. Zwar ist das Lehnwort schon seit 100 Jahren im englischen Sprachgebrauch, aber im Nordwesten der USA hat es einen ganz besonderen Klang – hier findet man einige der schönsten Wanderrouten Amerikas. Die niedriger gelegenen Landschaften locken schon im Frühjahr mit einer einzigartigen Blütenpracht, während die höheren Berge gerade im Hochsommer angenehm temperiert sind für eine zünftige Wanderung in weitgehend unbekannten Gegenden.

Portland, der wirtschaftliche und kulturelle Nabel Oregons, ist von Deutschland aus leicht zu erreichen – mehrmals pro Woche nonstop mit der Lufthansa von Frankfurt am Main. Aber auch wenn man in Oregon gelandet ist, fällt die Orientierung leicht: Ob im Nationalpark Crater Lake, am Mount Hood, in den Kaskaden, im Küstengebirge oder in einer der weniger bekannten Gegenden – überall findet man Besucherzentren, die gerne und umfangreich über die zahlreichen Wanderwege in der Nähe informieren. Beim Wandern in Oregon bieten sich zudem umfangreiche Möglichkeiten zur Tierbeobachtung. Naturwälder im Überfluss, eine umweltbewusste Industrie und ein fließender Übergang zwischen Natur und Zivilisation sorgen dafür, dass sich in Oregon Pflanzen, Tiere und Menschen gleichermaßen wohlfühlen. Von kleineren Spaziergängen bis hin zu Mehrtagestouren – Oregon bietet für jeden etwas, vom Freizeitspaziergänger bis zum geübten Wanderer.

Einmal der Länge nach
Der Pacific Crest Trail (PCT) ist ein Höhenwanderweg für besonders ambitionierte Wanderer und Rucksacktouristen, der über den Grat („Crest“) der Sierra Nevada und des Kaskadengebirges von der mexikanischen bis zur kanadischen Grenze und dabei natürlich auch durch Oregon führt, wo er in etwa 160 km Entfernung vom Pazifik parallel zur Küste verläuft. Er ist insgesamt über viertausend Kilometer lang, aber man muss ihm nicht über eine bestimmte Länge folgen. Es gibt viele einzelne attraktive Abschnitte, die man im Rahmen einer Halbtags- oder Tageswanderung bewältigen kann und die gut zu finden sind. Südlich von Ashland kreuzt der PCT die Schnellstraße I-5 und führt von dort zum Crater Lake. Der knapp 600 Meter tiefe und zudem tiefblaue See im einzigen Nationalpark des Staates füllt einen Vulkantrichter. Vom Seerundweg führt ein knapp zwei Kilometer langer Pfad direkt zum 200 Meter tiefer gelegenen Ufer. Am Ende des Weges, an der Cleetwood Cove, kann man sich mit dem Boot nac h Wizard Island übersetzen lassen. Diese Insel im Vulkansee lädt ebenfalls zu Wanderungen und Picknicks ein.

Immer am Wasser entlang
Einige Kilometer westlich des Crater Lake entspringt einer der spektakulärsten Flüssse des Staates, der Rogue River. Schon seine Quelle bietet ein einzigartiges Schauspiel, denn der Fluss ist an der Stelle, an der er ans Tageslicht tritt, bereits rund sechs Meter breit und stürzt sich gleich danach einen fünf Meter hohen Wasserfall hinab. Einen Teil des Rogue kann man nicht nur vom Wildwasser-Raft aus, sondern auch auf dem 65 km langen Rogue River Trail, einem Wanderweg parallel zum Fluss, entdecken. Dabei muss man einen Höhenunterschied von insgesamt 1.100 Meter bewältigen. Der Weg führt durch Wälder und über Wiesen, und er bietet nicht nur herrliche Aussichten auf den wilden Fluss, sondern auch auf die interessanten Felsgebilde der Schlucht, durch die er sich seinen Weg gebahnt hat. Die Kamera sollte man auf keinen Fall vergessen.

An einem Tag lässt sich diese Strecke auf keinen Fall bewältigen, doch unterwegs gibt es eine Reihe von Lodges, in denen man übernachten kann. An dem der Unterkunft gegenüberliegenden Ufer zu wandern, ist normalerweise kein Problem: Ein Ruf genügt, und man wird von der Lodge aus gerne ein Fährboot hinüberschicken.

Wem die Organisation einer solchen Wanderung zu aufwendig oder unsicher ist, der kann die Planung auch anderen überlassen: White Water Warehouse (www.WhiteWaterWarehouse.com) beispielsweise bietet im Mai und Juni geführte Wanderungen an, bei denen die Unterkünfte bereits gebucht sind.

Der Rogue River mündet schließlich in den Pazifik, und auch am Meer entlang kann man weiterwandern. In naher Zukunft wird man sogar die gesamten 580 Küstenkilometer des Staates auf dem Oregon Coast Trail (OCT) erwandern können. Derzeit weist der Weg noch einige Lücken auf, aber das sollte Wanderer nicht abschrecken, zumal der Weg über weite Strecken auf die Küstenstraße, den US-Highway 101, zurückführt. Wer hier mit dem Pkw oder Wohnmobil unterwegs ist, kann den fahrbaren Untersatz an vielen Stellen abstellen und ein paar Kilometer, je nach Lust und Laune, an der Küste entlangwandern.

Der Berg ruft
Irgendwann erreicht man die breite Mündung des Columbia River, der die Nordgrenze zum Nachbarstaat Washington bildet. Ein wenig landeinwärts, vorbei an der Metropole Portland, gelangt man zum Mount Hood, dem mit 3.424 Metern höchsten Gipfel Oregons. Nach dem Fudschi in Japan ist er zudem der am zweitmeisten bestiegene Berg der Welt, denn zum einen ist er von Portland aus leicht zu erreichen, und zum anderen ist der Aufstieg zwar für Wanderer durchaus anspruchsvoll, erfordert aber nicht unbedingt bergsteigerisches Können. Gerade deshalb eignet er sich auch für diejenigen, die erste Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln möchten.

Wer nicht gleich den Gipfel erstürmen möchte, findet eine Reihe von Möglichkeiten für kürzere oder längere Rundwanderungen, die an der historischen Timberline Lodge beginnen und enden – dem berühmten „Overlook Hotel“ aus dem Film The Shining. Ein 60 km langer Weg, der Timberline Trail, führt ganz um den Berg herum und erfordert mehrere Tage Zeit. An einem einzigen Tag lässt sich hingegen der 20 km lange Rundweg über den Paradise Park zurücklegen, bei dem 700 Meter Höhenunterschied zu bewältigen sind. Die Wandersaison in dieser Gegend ist auf die schneefreie Zeit von Mitte Juli bis Oktober begrenzt.

Der „wilde Osten“
Auch im „wilden“ (und vor allem trockenen) Osten Oregons gibt es zahlreiche Wanderwege, zum Beispiel in der Eagle Cap Wilderness in der Nordostecke des Staates, unweit zur Grenze nach Idaho. Diese Gegend erreicht man leicht über die Interstate 84 und die Staatsstraße 82, die in La Grande abzweigt. Von dort fährt man nach Lostine und folgt dann 30 Kilometer der Lostine River Road zum „Two Pan Trailhead“. Ein beliebter Wanderweg führt am East Lostine River entlang durch die alpenähnlichen Wallowa Mountains (hier gibt es sogar ein Matterhorn!) und über Bergwiesen zum Mirror Lake am Fuße des 2.925 Meter hohen Bergs Eagle Cap, der dieser Wildnis ihren Namen gab. Der Rundweg ist knapp 25 km lang und umfasst einen Höhenunterschied von 600 Metern. Der „Spiegelsee“ liegt etwa 2.300 Meter über dem Meeresspiegel. Zwischen den Granitfelsen am Ufer kann man sein Zelt aufschlagen, und im See lässt sich nach Bachforellen angeln. Geübte Bergsteiger können von hier aus auch den Eagle Cap besteigen, aber auch diese Wege sind nur von Ende Juli bis Oktober begehbar.

Tipps und Links
Das Gelände, das Klima und vor allem die Entfernungen sind für manchen Urlauber aus Europa ungewohnt. Die Bergrettung von Portland hat auf ihrer Website eine große Zahl nützlicher Links für Kletterer und Wanderer zusammengestellt (www.PMRU.org/links/climbing.html). Unter www.trails.com findet man kostenlose topographische Karten. Wanderberichte und Wegbeschreibungen (in englischer Sprache) gibt es beispielsweise unter www.CoolTrails.com/list-Oregon.htm oder www.TrailsGalore.com/states/or.html. Außerdem findet man viele Wander- und Routenvorschläge, wenn man in einer Suchmaschine die Begriffe „Oregon“ und „Hiking“ („Wandern“) eingibt. (Oregon Tourism Commission)



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