Multikulturelle Begegnungen in der Jugendherberge Flensburg

„Hjertelig velkommen i Flensborg“, „Til Banegård“ oder „Udsalg“ – in Flensburg ist die Nähe zum dänischen Nachbarland und die lange gemeinsame Geschichte allerorts spürbar. Nicht nur Hinweisschilder und zahlreiche Werbeplakate sind dänisch, auch das Lebensgefühl in Deutschlands nördlichster Stadt hat viel von der skandinavischen Leichtigkeit des Nachbarn. Eine beliebte Station für Reisende von und nach Dänemark, Schulklassen aus ganz Deutschland, Radwanderer und Reisegruppen ist die Jugendherberge Flensburg, die mitten im grünen Volkspark des Stadtteils Mürwik liegt. Beim Grillen im Garten oder im Speisesaal, der inmitten dichter Baumkronen wie ein Baumhaus anmutet, kommen sich die Gäste näher.

„Zwischen Familien, die auf dem Weg in den Dänemark-Urlaub hier Zwischenstopp machen, sind schon Freundschaften entstanden“, erzählt Herbergsmutter Birgit Rahf. „Die verabreden sich dann gleich fürs nächste Jahr.“ Zum Radfahren auf dem historischen Ochsenweg oder dem Ostseeküstenradweg finden sogar Besucher aus Österreich und der Schweiz den Weg in den Hohen Norden. „Die sind extra aus den Alpen angereist und staunen, dass es erst einmal bergauf geht“, lacht ihr Ehemann Holger Rahf und verweist auf das gar nicht so platte Land an der Flensburger Förde. „Hier treffen Harley-Fahrer, sehbehinderte Reisende und Schüler aufeinander und lernen voneinander. Das mag ich so an der Jugendherberge, dass sie eine Stätte der Kommunikation ist“, schwärmt Birgit Rahf. Die gelernte Physiotherapeutin hat über die DLRG-Jugendarbeit vor 26 Jahren zu ihrer Berufung als Herbergsmutter gefunden.

Gesellschaftlichen Trends und den Bedürfnissen ihrer Gäste entgegenzukommen gehört ebenfalls zur Philosophie des Hauses. Für Radwanderer steht ein großer abschließbarer Fahrradunterstand bereit, junge Gäste können in Workshops die aktuellen Tanzstile aus den MTV Video-Clips lernen. „Seit es immer mehr Patchwork-Familien gibt, steigt die Nachfrage nach getrennten Zimmern für Eltern und Kinder“, hat Birgit Rahf beobachtet. „Darauf müssen wir reagieren und entsprechende Kapazitäten schaffen.“ Ergänzend zu den 18 Zimmern mit eigenem Sanitärbereich sind deshalb weitere Zimmer mit Dusche und WC geplant. Vegetarische Mahlzeiten, Essen ohne Schweinefleisch für muslimische Schüler oder Allergikerfreundliche Zubereitungen – auch die kulinarischen Bedürfnisse der Gäste finden in dem 188-Bettenhaus Berücksichtigung. Nur 2,5 Kilometer sind es zum Ostseestrand, das Stadtzentrum ist nur drei Kilometer entfernt.

Hier weht beim Bummel durch Stockrosen berankte Gassen und liebevoll restaurierte Höfe ein Hauch dänischer Sommerfrische herüber. In den Straßencafés der Großen Straße wird lebhaft geplaudert, immer wieder schweben dänische Wortfetzen durch die Sommerluft und am Hafen genießen Touristen und Einheimische die leichte Brise und ein kühles Eis. Schleswig-Holsteins drittgrößte Stadt, ganz oben im Norden an der Flensburger Förde gelegen, machte in ihrer mehr als 700 jährigen Geschichte häufig durch Erfindungsreichtum und unkonventionelle Ideen von sich reden. So residieren die Flensburger Polizisten unter Deutschlands Ordnungshütern wohl am vornehmsten: Das Polizeirevier im Norderhofenden mit dem prachtvollen Marmoraufgang war einst ein Grand Hotel. Wie so viele Geschichten in Flensburg hängt auch diese mit dem Rum zusammen. Erbost darüber, dass das erste Hotel am Platze sich für einen konkurrierenden Rum-Lieferanten entschied, ließ Rum-Händler Matz im Jahr 1881 kurzerhand sein eigenes Luxus-Hotel, den „Flensburger Hof“ erbauen. Doch weder der Bauherr noch seine Nachfolger hatten ein glückliches Händchen fürs Gastgewerbe, so dass der imposante Bau schließlich unter den Hammer kam und zum Schnäppchenpreis in den Besitz der Polizei überging. Von Matzens einst zahlreichen Kollegen sind heute nur noch das Rumhaus Johannsen und die Manufaktur Braasch übrig. Seit 132 Jahren ist das Rumhaus Johannsen in Familienbesitz. Die Zeiten, als der hochprozentige Zuckerrohrsaft als Mutmacher für Walfänger und andere Seeleute viel Geld einbrachte, sind jedoch vorbei. Unter den rund 40 verschiedenen Spirituosen, die das Rumhaus heute produziert, sind auch Aquavit, Toffee Likör, Rumtopf und Vanille Rum. Kaufleute und Händler der einst bedeutenden Hafenstadt, die im 18. Jahrhundert die größte Handelsflotte der Ostsee besaß, waren schon immer für ihre Geschäftstüchtigkeit und ihren Einfallsreichtum berühmt. Ebenso wie die Hochzeit des Rums begann, als wegen schlechter Ernten kein Schnaps mehr gebrannt werden durfte, florierte auch schnell der Handel mit exotischen Kolonialwaren von den westindischen Inseln. Von Reichtum und Vielfalt der Handelsgüter zeugen die historischen Speicher auf der Westseite des Hafens, die nach und nach immer weiter in die Höhe wuchsen, um die vielen verschiedenen Waren lagern zu können. „Groschenseite“ wurde die Straßenseite mit den Speichern und prächtigen Kaufmannshöfen in Anspielung auf ihre reichen Bewohner und bevorzugte Hafenlage genannt. Gegenüber, auf der „Pfennigseite“ schlugen sich die deutlich ärmeren Handwerker durch. Viel besser erging es den „Bauernkapitänen“, die von der florierenden Seefahrt profitierten und sich am Ostufer, auf der anderen Hafenseite nun Stadthäuser leisten konnten – somit waren sie nicht mehr auf die Landwirtschaft, die ihre Frauen während den Fahrten betrieben, angewiesen. Das historische Kapitänsviertel mit seinen bunt gestrichenen Häuschen, schmalen Gassen und lauschigen Gärten ist heute ein begehrtes Wohn- und Arbeitsquartier für Familien und Künstler. Das Viertel ist Terrassenartig angelegt, wer die mehr als 140 Stufen der St.-Jürgen-Treppe erklimmt wird mit einem spektakulären Blick über Hafen und Skyline belohnt.

Auf der anderen Hafenseite leuchtet die rot angestrichene Werkshalle der Museumswerft in der Sonne. Dort erfahren Besucher hautnah, wie Segelschiffe und Arbeitsboote in den vergangenen 200 Jahren gebaut wurden, wie Kiel und Steven, Spanten, Planken, Segelmasten und Kielschweine gehobelt und Duchten eingesetzt wurden. Die Jugendherberge Flensburg lädt Väter mit Kindern sogar zum „Arbeiten wie die Bootsbauer“ ein. Wer die mit dem DJH-Innovationspreis ausgezeichnete Pauschale bucht, greift selbst zum historischen Werkzeug und baut Riemen, Paddel, Flaggenstöcke, Bootshaken oder Seekisten. Auch dieses Angebot, das Gästen einen einzigartigen Einblick in ihren maritimen Urlaubsort gewährt, ist in den kreativen Köpfen der Rahfs entstanden.

Die Jugendherberge Flensburg ist ganzjährig geöffnet, Voraussetzung für eine Aufnahme ist die Mitgliedschaft im Deutschen Jugendherbergswerk. Preis: ab 18,70 Euro pro Nacht inkl. Frühstück für Junioren bis 26 Jahren, Gäste ab 27 Jahren zahlen 3 Euro / Nacht mehr. Kinder von 3 bis 5 Jahren zahlen 15,95 Euro. Ab der dritten Übernachtung gibt es eine Preisreduzierung.

Jugendherberge Flensburg, Fichtestraße 16, 24943 Flensburg, Tel. 0461/37742, jh-flensburg@djh.de. (Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein GmbH)



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