13. April 2013, Warschau (Warszawa)

Jüdische Themenrouten in Warschau

Einst war sie Europas größte jüdische Metropole. Noch heute erinnern zahlreiche Sehenswürdigkeiten an die wechselvolle Geschichte der jüdischen Bürger von Warszawa (Warschau). Besucher können ihre Spuren auf mehreren Themenrouten entdecken. Diese sind in einer aktuellen Broschüre des Büros für Stadtmarketing Warsawtour zusammengefasst.

Die jüdische Geschichte Warschaus reicht bis in das 15. Jahrhundert zurück. Damals kamen die ersten Siedler mosaischen Glaubens in die Hauptstadt der masowischen Fürsten. Bis zum 20. Jahrhundert stieg ihr Anteil auf über 30 Prozent. Vom reichen Fabrikanten über namhafte Künstler und Wissenschaftler bis zum einfachen Arbeiter und Handwerker – alle hatten sie ihren Anteil am regen kulturellen und sozialen Leben in der wachsenden Großstadt. Ein eindrucksvolles Denkmal dieser Zeit ist der 1806 gegründete jüdische Friedhof an der ul. Okopowa 49/51. Bis heute sind dort mehr als 100.000 Grabmale erhalten geblieben. Zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten, die in Warschau lebten, haben dort ihre letzte Ruhe gefunden, so beispielsweise der Schöpfer der Weltsprache Esperanto, Ludwik Zamenhof oder der russisch-jüdische Schriftsteller Salomon An-Ski.

In der Weichselstadt lebte auch der Pädagoge und Autor Henryk Goldszmit alias Janusz Korczak, der 1942 zusammen mit seinen Schützlingen im Konzentrations-lager Treblinka ermordet wurde. Das von Korczak 1912 in der heutigen ul. Jaktorowska 6 gegründete Waisenhaus überstand die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und dient immer noch dem ursprünglichen Zweck. Im Hof erinnert ein Denkmal an den Pädagogen. Erhalten blieb auch das zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaute Pädagogische Zentrum der Jüdischen Gemeinde im Stadtteil Praga. Die Architektur des Gebäudes in der ul. Jagiellońska 28 erinnert an polnische Renaissancesynagogen. Heute beherbergt es unter anderem das Puppentheater „Baj“.

Im Jahr 1940 errichteten die deutschen Besatzer ein Getto für die jüdische Bevölkerung. Das Gebiet war mit über 350.000 Menschen hoffnungslos überfüllt. Terror, Lebensmittelnot sowie unhaltbare hygienische Zustände machten den Bewohnern das Leben zur Hölle. Bis heute erhalten blieben Teile der Mauer, welche das Judengetto von den sogenannten arischen Wohnquartieren trennte. So beispielsweise die Ziegelmauer im Hof des Wohnblocks an der ul. Sienna 55, die von der ul. Złota zu erreichen ist, oder die zugemauerte Hausfront in der ul. Waliców 11.

Der damaligen jüdischen Bevölkerung, die größtenteils in den deutschen Vernichtungslagern ermordet wurde, ist die „Erinnerungsroute an die Leiden und den Kampf der Juden 1940-1943“ gewidmet. Sie führt vom sogenannten Umschlagplatz, von dem aus die Todgeweihten in Viehwaggons gen Süden und Osten abtransportiert wurden, bis zum Denkmal der Gettohelden am plac Bohaterów Getta. Das 1948 enthüllte, elf Meter hohe Denkmal besteht aus einem Steinquader mit Reliefs, die Szenen von Leben, Leid, Kampf und Tod der Getto-Insassen darstellen, sowie einer Inschrift in polnischer, jiddischer und hebräischer Sprache. Es soll nicht nur an die Leiden der jüdischen Bevölkerung erinnern, sondern auch an ihren Kampf ums Überleben, der nach der Auflösung des Gettos im April 1943 im Aufstand einiger Hundert junger und nur spärlich bewaffneter Gettobewohner gipfelte. Fast einen ganzen Monat dauerte ihr Widerstand, der von SS, Polizei und Wehrmacht brutal niedergeschlagen wurde. An die wenigen Überlebenden, die hauptsächlich über die Kanalisation entkamen, erinnert heute das Denkmal in der ul. Prosta 51, das einen Kanalausstieg symbolisieren soll, aus dem Hände Richtung Freiheit greifen.

Nach dem Aufstand machten die Nationalsozialisten das Getto dem Erdboden gleich. Gesprengt wurde auch die große Synagoge am heutigen plac Bankowy. Die kleine Straße ul. Prózna gehört zu den wenigen im Stadtzentrum, die noch an die Atmosphäre im jüdischen Warschau vor dem Zweiten Weltkrieg erinnert. Jedes Jahr im September findet dort das Singer-Festival statt, das der jüdischen Kultur gewidmet ist. Gottesdienste werden in der Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Nożyk-Synagoge in der ul. Twarda abgehalten, die den Krieg mit leichten Beschädigungen überdauert hatte. Im Nachbargebäude hat die Jüdische Gemeinde ihren Sitz. Am nahe gelegenen plac Grzybowski befindet sich eines der wenigen Theater in Europa, das regelmäßig Stücke in jiddischer Sprache aufführt.

Der Führer durch das jüdische Warschau ist in den Touristeninformationen Warschaus kostenlos erhältlich. Eine deutschsprachige Version zum Download gibt es auch unter www.warsawtour.pl (FVA Polen)



» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen





Das könnte Sie auch interessieren:

Weitere Beiträge zum Thema: